Leitsatz (amtlich)
Bei der Festsetzung des Längenzuschlages aus Nr. 4116 VV RVG ist die Zeit der Mittagspause in die Dauer der Teilnahme des Verteidigers an der Hauptverhandlung nicht einzurechnen.
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Erinnerung des Rechtsanwalts H. wird zurückgewiesen.
Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
In einem erstinstanzlichen Strafverfahren vor der Jugendkammer des Landgerichts S. nahm Rechtsanwalt H. als bestellter Verteidiger des Angeklagten O. am Termin zur Hauptverhandlung am 8. November 2006 teil. Das Verfahren war auf 09:15 Uhr terminiert und der Verteidiger entsprechend geladen worden. Die Hauptverhandlung begann um 9:30 Uhr und endete um 14:30 Uhr. Sie wurde von 09:40 Uhr bis 11:43 Uhr zur Führung von Verständigungsgesprächen und von 12:55 Uhr bis 14:10 Uhr für die Mittagspause unterbrochen.
Mit seinem Antrag auf Festsetzung der Pflichtverteidigervergütung machte der Verteidiger neben anderen Gebühren auch die Zusatzgebühr aus Nr. 4116 VV RVG in Höhe von 108 EUR zzgl. MWSt., insgesamt also 125,28 EUR, geltend. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle setzte die Pflichtverteidigergebühren am 20. Dezember 2006 im Wesentlichen antragsgemäß fest, setzte allerdings die Gebühr gem. Nr. 4116 VV RVG mit der Begründung ab, die Hauptverhandlung habe nicht mehr als fünf Stunden gedauert. Auf die gegen die Absetzung der Gebühr aus Nr. 4116 VV RVG gerichtete Erinnerung des Verteidigers änderte die 2. große Strafkammer - Jugendkammer - des Landgerichts S. mit dem angefochtenen Beschluss vom 20. März 2007 die Gebührenfestsetzung und setzte gem. Nr. 4116 VV RVG weitere 125,28 EUR als Pflichtverteidigervergütung fest. Die Strafkammer führte zur Begründung aus, bei der Berechnung der Dauer der Teilnahme des Verteidigers an der Hauptverhandlung sei die Wartezeit zwischen dem Zeitpunkt der Ladung (09:15 Uhr) bis zum tatsächlichen Beginn der Sitzung (09:30 Uhr) hinzuzurechnen. Die beiden Unterbrechungen der Hauptverhandlung seien von ihrer Dauer nicht abzuziehen, weil die erste Unterbrechung zur Führung von Verständigungsgesprächen genutzt worden sei und die zweite Unterbrechung als Mittagspause der Einnahme einer Mahlzeit und der Erholung gedient habe, so dass die Verteidiger nicht darauf verwiesen werden könnten, diese Zeit beruflich zu nutzen. Die Strafkammer hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Fragen gem. §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 Satz 2 RVG die Beschwerde zugelassen.
II.
1.
Die Beschwerde ist, obwohl der Beschwerdewert aus § 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG nicht erreicht wird, infolge der Zulassung durch die Strafkammer gem. §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 2 RVG zulässig.
2.
Die Gebühr gem. Nr. 4116 VV RVG entsteht zusätzlich zur Terminsgebühr aus Nr. 4115 VV RVG, wenn der Pflichtverteidiger mehr als fünf und bis zu acht Stunden an einer Hauptverhandlung in erster Instanz vor der Strafkammer teilnimmt. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
Das RVG enthält keine Regelung, wie die Dauer der Teilnahme an einer Hauptverhandlung zu berechnen ist. Der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucks. 15/1971) ist zum Sinn der Regelung der Nr. 4116 (wie auch der Nrn. 4110 und 4122 VVRVG) zu entnehmen, dass dem Pflichtverteidiger bei langen Hauptverhandlungen ein fester Zuschlag zur Terminsgebühr gewährt werden soll, um den besonderen Zeitaufwand für seine anwaltliche Tätigkeit angemessen zu honorieren und hierdurch zugleich die Fälle zu vermindern, in denen eine Pauschgebühr nach § 51 RVG (früher § 99 BRAGO) festgesetzt werden muss. Soweit die Gesetzesbegründung darauf Bezug nimmt, dass die Dauer der Hauptverhandlung in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte zu § 99 BRAGO ein wesentlicher Umstand für die Gewährung einer Pauschgebühr gewesen ist, lässt sich hieraus nicht folgern, dass der gesetzgeberische Wille dahin ging, Warte- und Pausenzeiten einschließlich der Zeit der Mittagspause auf die Dauer der Hauptverhandlungsdauer anzurechnen. Der Gesetzgeber fand nämlich bei Erlass des RVG hinsichtlich der Berücksichtigungsfähigkeit der Mittagspause bei der Bestimmung des Verfahrensumfanges eine uneinheitliche Rechtsprechung vor (vgl. die Übersicht im Beschl. des LG Kaiserslautern NJOZ 2006, 3978), so dass aus ihrer Inbezugnahme nicht der gesetzgeberische Wille für eine bestimmte Art der Berechnung der Teilnahmedauer und der Anrechnung von Pausen abgeleitet werden kann.
a)
In Rechtsprechung und Literatur besteht weitgehend Einigkeit, dass kürzere Unterbrechungen der Hauptverhandlung von deren Dauer nicht abgezogen werden können. Die Frage, ob dies auch für die den Verteidigern bereits aus Gründen der Fürsorgepflicht des Gerichts zuzubilligende Mittagspause von jedenfalls einer Stunde (vgl. OLG Hamm NJOZ 2006, 2520 ff.; OLG Düsseldorf, NStZ-RR 2006, 391 f.) gilt, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten.
aa)
Ein Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung und die Literatur vertritt die Auffassung, d...