Leitsatz (amtlich)
I. Ein gemäß § 7 Abs. 1 UVG übergegangenen Unterhaltsanspruch kann im gerichtlichen Verfahren geltend gemacht und verfolgt werden. Die Regelung des § 7a UVG steht dem nicht entgegen, weil sich insbesondere aus der Gesetzesbegründung ergibt, dass übergegangene Ansprüche nicht im Wege der Zwangsvollstreckung verfolgt werden sollen (a.A. OLG Düsseldorf FamRZ 2023,197; OLG Hamm NZFam 2023, 469).
II. Dem unterhaltspflichtigen Elternteil, der seiner gesteigerten Erwerbsobliegenheit nicht hinreichend nachkommt, können Einkünfte aus einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit sowie aus einer zumutbaren Nebentätigkeit effektiv zugerechnet werden. Hinsichtlich der Höhe des Stundensatzes kann nicht nur auf den gesetzlichen Mindestlohn abgestellt werden. Vielmehr können insoweit auch die tarifvertraglichen Mindestentgelte für ungelernte Arbeitskräfte herangezogen werden. Nach § 2 der Fünften Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche beträgt das Mindestentgelt ab Mai 2023 13,90 EUR/Std.
Normenkette
BGB § 1603; UVG §§ 7, 7a
Verfahrensgang
AG Cuxhaven (Entscheidung vom 30.12.2022; Aktenzeichen 11 F 1055/22) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners werden die Ziff. 1 bis 4 des Beschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - Cuxhaven vom 30. Dezember 2022 in der Fassung der Ziff. 1 bis 4 der Teilabhilfeentscheidung vom 28. Februar 2023 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Dem Antragsgegner wird unter Beiordnung von ... für das erstinstanzliche Verfahren ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt.
Gründe
I. Der Antragsgegner ist der Vater der am ... 2018 und am ... 2021 geborenen Kinder A. und A., die bei ihrer Mutter leben. Er ist auch Vater der Kinder H., geboren am ... 2007, und A., geboren am ... 2010, die ebenfalls beide bei ihrer Mutter wohnen.
Der Antragsteller gewährt der Mutter der Kinder A. und A. seit dem 1. Februar 2020 bzw. seit dem 1. Mai 2021 Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG). Dies zeigte der Antragsteller dem Antragsgegner mit Schreiben vom 30. Juni 2021 an. Im Jahr 2021 zahlte der Antragsteller für jedes Kind monatlich 174 EUR an die Mutter der Kinder, im Jahr 2021 betrugen die monatlichen Zahlungen 177 EUR und im Jahr 2023 187 EUR pro Kind. Der Antragsteller gewährte auch der Mutter der beiden weiteren Kinder H. und A. Leistungen nach dem UVG, deren teilweise Rückzahlung in einem gesonderten Verfahren (Az.: 21 WF 44/23) geltend gemacht wird.
Der Antragsgegner, der über keine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt, stand im Jahr 2021 und in der Zeit bis März 2022 im Bezug von Leistungen nach dem SGB II. In der Zeit vom 1. April 2022 bis zum 31. Juli 2022 war er als Hausmeister bei der Fa. ... mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden beschäftigt. Er erhielt eine monatliche Bruttovergütung von 1.560 EUR, was einem Bruttostundenlohn von rund 12 EUR entspricht (1.560 EUR / (52 Wochen / 12 Monate) / 30 Stunden). Seit dem 1. August 2022 erhält er wieder Leistungen nach dem SGB II.
Der Antragsteller beantragt nunmehr im Schriftsatz vom 11. Januar 2023, nachdem die ursprünglich im laufenden Unterhalt enthaltenen Unterhaltsbeträge für die Zeit ab Januar 2023 aufgrund des erhöhten Selbstbehalts herabgesetzt wurden, den Antragsgegner zu verpflichten, an den Antragsteller, rückständigen Unterhalt für die Kinder A. und A. für den Zeitraum 1. August 2021 bis 31. Januar 2023 in Höhe von 1.507 EUR und 1.439 EUR sowie laufenden Unterhalt für das Kind A. ab dem 1. Februar 2023 in Höhe von monatlich 54 EUR, ab dem 1. Juni 2025 in Höhe von monatlich 88 EUR und ab dem 1. Februar 2028 in Höhe von monatlich 134 EUR sowie laufenden Unterhalt für das Kind A. ab dem 1. Februar 2023 in Höhe von monatlich 54 EUR, ab dem 1. Juni 2025 in Höhe von monatlich 73 EUR, ab dem 1. Februar 2028 in Höhe von monatlich 134 EUR und ab dem 1. Oktober 2036 in Höhe von monatlich 268 EUR zu zahlen. Zudem beantragt der Antragsteller Verzugszinsen auf die rückständigen und betreffend die laufenden Unterhaltsbeträge.
Mit Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Cuxhaven vom 30. Dezember 2022 und mit Teilabhilfebeschluss vom 28. Februar 2023 wurde dem Antragsgegner ratenfreie Verfahrenskostenhilfe zur teilweisen Rechtsverteidigung bewilligt. Wegen des genauen Umfangs der Bewilligung wird auf den Teilabhilfebeschluss Bezug genommen.
Gegen die lediglich teilweise Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe wendet sich der Antragsgegner mit seiner sofortigen Beschwerde vom 2. Februar 2023, mit der er Verfahrenskostenhilfe für die Rechtsverteidigung insgesamt begehrt. Er begründet die Beschwerde im Wesentlichen damit, dass sich sein finanzieller Rahmen geändert habe, weil er seit dem 1. August 2022 aus gesundheitlichen Gründen arbeitslos gemeldet sei.
II. Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
Dem Antragsgegner ist nach den §§ 113 Abs. 1 FamFG, 114 ff. ZPO Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, soweit seine Rechtsverteidigung hinreich...