Entscheidungsstichwort (Thema)
Verkehrssicherungspflicht des Betreibers eines Freibades für eine Rutsche
Leitsatz (amtlich)
1. Der Betreiber eines Freibades verletzt nicht seine Verkehrssicherungspflicht, wenn er an einer geraden und übersichtlichen Rutsche im Bereich eines Nichtschwimmerbeckens durch eine Tafel mit Warnhinweisen und eine zusätzliche Gestaltung durch Piktogramme darauf hinweist, welche Rutschhaltungen erlaubt sind (Sitzend und Liegend Blick je nach vorn) und darauf aufmerksam macht, dass der Rutschenauslauf sofort zu verlassen ist, es aber gleichwohl zu einem Unfall kommt, wenn ein achtjähriger Junge den Auslaufbereich nicht sofort verlässt, ein weiterer Zwölfjähriger auf den Knien sitzend runterrutscht und den Achtjährigen mit den Knien am Kopf trifft und verletzt.
2. Grundsätzlich ist der Betreiber einer solchen übersichtlichen Rutsche weder verpflichtet, zusätzliche technische Hilfsmittel wie Ampeln oder Schranken anzubringen noch besteht eine Verpflichtung, jeden einzelnen Rutschvorgang durch einen am Rutscheneinstieg postierten Bademeister auf seine Ordnungsgemäßheit zu überwachen.
Normenkette
BGB § 823
Verfahrensgang
LG Lüneburg (Beschluss vom 17.07.2006; Aktenzeichen 3 O 153/06) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens.
Außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe
Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 127 Abs. 2 S. 2 und 3, § 569 Abs. 1 S. 1 ZPO), in der Sache aber unbegründet. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Antragstellers hat - wie das LG mit zutreffenden Erwägungen festgestellt hat - keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO). Dem Antragsteller stehen keine Ansprüche auf Ersatz seines materiellen und immateriellen Schadens gem. § 823 Abs. 1, § 280 Abs. 1, § 253 Abs. 2 BGB gegen die Antragsgegnerin wegen seines Unfalls vom 27.5.2003 im Freibad H. in L. zu. Zu dem Unfall kam es, als am 27.5.2003 der damals knapp achtjährige Antrag-steller gegen 17.00 Uhr eine Rutsche im Bereich des Nichtschwimmerbeckens nach unten rutschte, sich dann nicht sofort aus dem Auslaufbereich entfernte, weil er noch seinen beim Rutschen verloren gegangenen Ball suchte und der sodann rutschende Zeuge S., zum Zeitpunkt des Unfalls 11 ½ Jahre alt, sitzend auf den Knien die Rutsche herabkam, den Antragsteller mit dem Knie am Kopfbereich traf und dieser hierdurch schwere Kopf- und Gesichtsverletzungen erlitt.
1. Der Betreiber eines Schwimmbades hat die Benutzer grundsätzlich vor den Gefahren zu schützen, die über das übliche Risiko bei der Anlagenbenutzung hinausgehen, vom Benutzer nicht vorhersehbar und nicht ohne Weiteres erkennbar sind (BGH VersR 2000, 984). Insoweit trifft den Betreiber des Schwimmbades die deliktische Garantenpflicht, dafür zu sorgen, dass keiner der Besucher durch solche Risiken beim Badebetrieb zu Schaden kommt. Der Umfang der Kontrollpflichten hängt von den Umständen des Einzelfalles, wie etwa Größe und Lage des Freibades, Anzahl der Besucher, Vorhandensein besonderer Spiel- und Sportgeräte etc. ab. Hierbei ist ferner in Betracht zu ziehen, dass insb. Kinder und Jugendliche dazu neigen, Vorschriften und Anordnungen nicht zu beachten und sich unvernünftig zu verhalten. Daher kann die Verkehrssicherungspflicht auch die Vorbeugung gegenüber solchem missbräuchlichen Verhalten erfassen (BGH VersR 2004, 657). Allerdings kann und muss nicht jeder abstrakten Gefahr durch vorbeugende Maßnahmen begegnet werden, da eine Verkehrssicherheit, die jeden Gefährdungsfall ausschließt, nicht erreichbar ist. Geboten sind mithin nur solche Sicherheitsmaßnahmen, die ein verständiger und umsichtiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zumutbar sind.
2. Auf dieser Grundlage kommt hier die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht nicht in Betracht.
a) Die Wasserrutsche selbst weist von ihrer Konstruktion her keine besonderen Gefahren aus. Sie verläuft - unterbrochen durch einige Absätze - gerade in das Nichtschwimmerbecken. Sowohl vom Standpunkt einer sich oben an der Rutsche befindlichen Person als auch eines bereits nach Ende des Rutschvorganges im Wasser befindlichen Besuchers ist die Anlage auf einen Blick gut zu überschauen. Der oben stehende Benutzer kann leicht erkennen, ob sich im Auslaufbereich, der überdies farblich ringförmig abgesetzt ist, noch andere Personen befinden, so dass er solange zu warten hat, bis diese sich entfernen. Umgekehrt kann jedermann im Bereich des Schwimmbeckens erkennen, ob ein weiterer Badegast oben an der Rutsche steht und diese herunterrutschen will, so dass er sich zu entfernen hat, wenn er sich noch im Bereich der Auslaufzone befindet. Bei derartigen geraden und ohne Weiteres zu überblickenden Anlagen sind - anders als etwa bei langen in Kurven verlaufenden Röhrenrutschen, bei denen Beginn und Ende der Rutsche nicht zu überblicken sind (hierzu etwa BGH VersR 200...