Entscheidungsstichwort (Thema)
Anerkennung einer Adoptionsentscheidung der Russischen Föderation: Bedeutung der Unkenntnis der mit der ausländischen Entscheidung befassten Gerichte oder Behörden über den internationalen Charakter der Adoption
Leitsatz (amtlich)
1. Die Russische Föderation ist nicht Vertragsstaat des Haager Adoptionsübereinkommens.
2. Für die Anerkennungsfähigkeit einer ausländischen Adoptionsentscheidung ist zwingend erforderlich, dass diese sich mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob die konkrete Adoption dem Kindeswohl entspricht, ob also ein Adoptionsbedürfnis vorliegt, die Elterneignung der Annehmenden gegeben ist und eine Eltern-Kind-Beziehung bereits entstanden bzw. ihre Entstehung zu erwarten ist. Von einer verkürzten und unzureichenden Kindeswohlprüfung ist immer auszugehen, wenn sich in der anzuerkennenden Adoptionsentscheidung keine Hinweise darauf befinden, dass sich die mit der Entscheidung befassten ausländischen Gerichte und Behörden des internationalen Charakters der Adoption überhaupt bewusst gewesen sind (vgl. u.a. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.6.2010 - 25 Wx 15/10).
Normenkette
BGB § 1741; AdWirkG §§ 1, 2 Abs. 1; FamFG § 108 Abs. 1, § 109; GG Art. 6
Verfahrensgang
AG Celle (Beschluss vom 28.03.2011) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Celle vom 28.3.2011 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Beschwerdewert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten um die Anerkennung einer von dem ... Rayonsgericht im Gebiet ... (Russische Föderation) am 29.12.2009 ausgesprochenen Adoptionsentscheidung.
Der minderjährige Betroffene ist am ... 1999 geboren und in Russland aufgewachsen. Nach dem Tode seines Vaters im Jahre 2006 lebte der Betroffene bei seiner Mutter und seiner älteren Halbschwester, die von einem anderen, ebenfalls verstorbenen Mann abstammt.
Die 1952 geborene Antragstellerin ist die Großmutter des Betroffenen in der mütterlichen Linie, die im Jahr 2004 als Spätaussiedlerin aus Russland nach Deutschland übergesiedelt war. Die Antragstellerin hat neben der Mutter des Betroffenen nach zwei weitere Töchter (Tanten des Betroffenen und seiner Schwester), von denen die eine mit ihrer Familie ebenfalls in Deutschland lebt und die andere mit ihrer Familie in Russland geblieben ist. Über Verwandte des Betroffenen in väterlicher Linie ist nichts bekannt.
Am 6.12.2009 verstarb die Mutter des Betroffenen. Bereits am 29.12.2009 sprach das ... Rayonsgericht auf Antrag der Antragstellerin die Adoption des Betroffenen durch die Antragstellerin aus. Als Wohnanschrift hatte die Antragstellerin gegenüber dem russischen Gericht das in ihrem Eigentum stehende Haus in ... angegeben, in dem zuletzt ihre verstorbene Tochter mit den beiden minderjährigen Kindern lebte. Ausweislich der Beschlussgründe hat das russische Gericht im Adoptionsverfahren die charakterlichen Eignung der Antragstellerin durch Einholung von Auskünften aus dem Vorstrafenregister und von Leumundszeugnissen aus ihrer letzten russischen Arbeitsstelle überprüft sowie ferner Erhebungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Antragstellerin - insbesondere zu ihrem Immobilienbesitz - in Russland angestellt. Der Betroffene wurde durch das russische Gericht nicht persönlich angehört, sondern es wurden dessen Äußerungen gegenüber der russischen Sozialbehörde verwertet. Eine deutsche Fachstelle wurde nicht beteiligt.
Der Betroffene zog spätestens im März 2010 mit der Antragstellerin nach Deutschland, wo er seither lebt. Seine Halbschwester ist bei der in Russland lebenden Tante und ihrer Familie geblieben. Die russische Immobilie der Antragstellerin wird derzeit von einer anderen Enkeltochter der Antragstellerin bewohnt. Die Antragstellerin selbst lebt derzeit in Deutschland mit ihrem Lebensgefährten von Leistungen nach dem SGB II.
Die Antragstellerin begehrt mit ihrem am 7.6.2010 bei dem AG angebrachten Antrag die Anerkennung der russischen Adoptionsentscheidung. Das AG hat den Antrag nach Anhörung der Antragstellerin durch Beschluss vom 28.3.2011 zurückgewiesen. Zur Begründung hat das AG insbesondere ausgeführt, dass in dem russische Adoptionsverfahren keine dem deutschen ordre public genügende Kindeswohlprüfung stattgefunden habe. Dies indiziere schon die außergewöhnliche Geschwindigkeit, mit der das Adoptionsverfahren - auch nach den Maßstäben der russischen Rechtspraxis -durchgeführt worden sei. Es sei weder ausreichend die Elterneignung der Antragstellerin noch seien die Auswirkungen geprüft worden, welche die Verlagerung des Lebensmittelpunkts von Russland nach Deutschland auf den minderjährigen Betroffenen haben könnte, wobei es ohnehin zweifelhaft sei, ob die Antragstellerin dem russischen Gericht die beabsichtigte Übersiedlung des Betroffenen nach Deutschland überhaupt offenbart hatte. Die fehlende Kindeswohlprüfung könne im Rahmen eines Anerkennungsverfahrens vor deutschen Gerichten auch nicht nachgeholt werd...