Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsanwaltsbeiordnung in isolierter Familiensache, Umfang des Gebührenanspruches bei Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe nebst Beiordnung für den Abschluss eines Mehrvergleiches
Leitsatz (amtlich)
Bei Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für einen über den Verfahrensgegenstand hinausgehenden Vergleich sind - auch außerhalb des Anwendungsbereiches des § 48 Abs. 3 RVG - neben der Vergleichsgebühr auch die auf den verglichenen Gegenstand anfallende Verfahrensdifferenzgebühr und die nach dem zusammengerechneten Wert des anhängigen und des verglichenen Gegenstandes berechnete Terminsgebühr aus der Staatskasse zu erstatten (entgegen OLG Celle, 26.2.2015,10 WF 28/15, OLG Koblenz, 19.5.2014, 13 WF 369/14, OLG Dresden, 7.2.2014, 23 WF 1209/13; Anschluss: OLG Celle, 8.5.2014, 15 UF 166/13; OLG Stuttgart, 18.2.2016, 8 WF 339/15).
Normenkette
RVG §§ 48, 45; RVG-VV Nrn. 3201-3202
Verfahrensgang
AG Stade (Beschluss vom 06.05.2015; Aktenzeichen 42 F 441/15) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten der Kindesmutter wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Stade vom 6.5.2015 geändert. Die aus der Staatskasse an den Verfahrensbevollmächtigten der Kindesmutter zu zahlende Vergütung wird auf (EUR 873,20 zzgl. EUR 165,91 Umsatzsteuer) EUR 1.039,11 festgesetzt.
Gerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten nicht erstattet.
Gründe
I. Der Verfahrensbevollmächtigte der Kindesmutter (im Folgenden: Beschwerdeführer) wendet sich gegen einen Beschluss, durch den seine Erinnerung gegen die Festsetzung der Gebühren, die ihm aufgrund bewilligter Verfahrenskostenhilfe aus der Staatskasse zu zahlen sind, zurückgewiesen worden ist.
Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt und war in einem sorgerechtlichen Verfahren der Kindesmutter, der Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden war, als Verfahrensbevollmächtigter zweiter Instanz beigeordnet. Unter seiner Mitwirkung einigten sich die beteiligten Kindeseltern im einstweiligen Anordnungsverfahren über die Verteilung des Aufenthaltsbestimmungsrechts, gleichzeitig schlossen die Beteiligten einen Vergleich zur einstweiligen Gestaltung des zuvor nicht gerichtlich anhängigen Umganges des Kindesvaters mit dem Kind. Mit Beschluss vom 26.11.2015 stellte der Senat den schriftlich geschlossenen Vergleich fest, billigte die Umgangsregelung und erstreckte die der Kindesmutter bewilligte Verfahrenskostenhilfe auch auf den Abschluss des Vergleiches. In diesem Beschluss bestimmte der Senat den Wert des Verfahrens auf EUR 1.500,-, den des Vergleichs (infolge der gleichfalls enthaltenen einstweiligen Umgangsregelung) auf insgesamt EUR 3.000,-.
Auf den Erstattungsantrag des Beschwerdeführers hin hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des AG - Familiengericht - Stade den aus der Landeskasse zu erstattenden Betrag für die Tätigkeit in der zweiten Instanz zunächst auf EUR 1.039,11 festgesetzt. Auf die Erinnerung des Bezirksrevisors hat sie die Berechnung geändert und nunmehr den erhöhten Verfahrenswert nur bei Bemessung der Vergleichsgebühr, nicht aber der Terminsgebühr, berücksichtigt; auch die ursprünglich erstattete Verfahrensdifferenzgebühr für die im Vergleich enthaltene Umgangsregelung hat sie von der Erstattung ausgenommen. Im Ergebnis hat die Urkundsbeamtin einen Erstattungsbetrag in Höhe von EUR 765,75 festgesetzt. Die dagegen eingelegte Erinnerung hat das AG - Familiengericht - Stade durch Beschluss vom 6.5.2015 zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Beschwerdeführers, der eine erhöhte Vergütung begehrt.
II. Die nach den §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 RVG zulässige Beschwerde ist begründet. Das AG hat die Verfahrensdifferenzgebühr nach Nr. 3201 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG (im Folgenden: RVG-VV) zu Unrecht von der Erstattung ausgenommen und hat unzutreffend bei der Bemessung der Terminsgebühr nur den Wert des anhängigen Verfahrens, nicht aber des vergleichsweise geregelten Umganges zugrunde gelegt.
Ob die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für einen über den anhängigen Verfahrensgegenstand hinausgehenden Vergleich dazu führt, dass neben der im Wert erhöhten Einigungsgebühr auch die darauf entfallende Termins- und Verfarhrensdifferenzgebühr nach Nr. 3201 und 3202 RVG-VV zu der nach § 55 Abs. 1 RVG festzusetzenden Vergütung des beigeordneten Rechtsanwaltes gehört, ist in der Rechtsprechung umstritten. Während nach einer Ansicht ohne ausdrückliche Anordnung, wonach sich die für den Vergleich bewilligte Verfahrenskostenhilfe auch auf Verfahrens- und Terminsgebühr für den nicht anhängigen Teil des Vergleiches erstrecken soll, nur eine erhöhte Vergleichsgebühr zu vergüten ist (vgl. etwa. OLG Celle, AGS 2015, 236 ff.; OLG Koblenz FamRZ 2014, 1877 f.; OLG Dresden MDR 2014, 686 f.; OLG Köln FamRZ 2015, 1825 f., jew. m.w.N.), umfassen die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren nach anderer Auffassung neben der Vergleichsgebühr stets auch sämtliche mit dem Abschluss des Vergleiches zusa...