Leitsatz (amtlich)
1. Entzieht der Vermieter dem Mieter den Besitz an der Mietsache durch verbotene Eigenmacht und vermietet die Mietsache sofort erneut an einen Dritten, steht dem Mieter gegen den Vermieter nur ein Anspruch auf Übertragung des mittelbaren Besitzes gem. § 870 BGB zu, der gem. § 886 ZPO vollstreckt wird.
2. Im Falle einer Leistungsverfügung wegen verbotener Eigenmacht richtet sich der Wert des einstweiligen Verfügungsverfahrens nach dem Hauptsachestreitwert.
3. Bei einer Leistungsverfügung auf Wiedereinräumung des durch verbotene Eigenmacht entzogenen Mietbesitzes wird der Streitwert wie bei einem Anspruch auf erstmalige Gebrauchsgewährung durch die Höhe des Jahresmietzinses begrenzt.
Normenkette
BGB §§ 858, 861; ZPO §§ 3, 6; GKG §§ 41, 53
Verfahrensgang
LG Verden (Aller) (Beschluss vom 01.08.2007; Aktenzeichen 5 O 298/07) |
Tenor
Die am 6.8.2007 beim LG Verden eingegangene sofortige Beschwerde des Gläubigers vom gleichen Tag gegen den Beschluss der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des LG Verden vom 1.8.2007 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Gläubiger zu tragen.
Der Streitwert für das Zwangsvollstreckungsverfahren in beiden Instanzen wird unter Abänderung des Beschlusses des LG Verden vom 1.8.2007 auf 27.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die gem. § 793 i.V.m. §§ 567 Abs. 1, 569 ZPO zulässige, insb. form- und fristgerechte eingelegte, als sofortige Beschwerde geltende Beschwerde ist nicht begründet.
I. Das LG Verden hat den Antrag des Gläubigers auf Festsetzung eines Zwangsgeldes gem. § 888 ZPO gegen den Schuldner im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.
Entgegen der Auffassung des LG ist der Antrag des Gläubigers jedoch schon unzulässig. Die Zwangsvollstreckung richtet sich im vorliegenden Fall nicht nach § 888 ZPO, sondern nach § 886 ZPO. Zwar kann sich der Anspruch gem. § 861 BGB auf Wiedereinräumung des Besitzes wegen verbotener Eigenmacht auch gegen den mittelbaren Besitzer richten. Der Anspruch geht in diesem Fall aber nicht auf Herausgabe des unmittelbaren Besitzes, sondern ist auf die Verschaffung des mittelbaren Besitzes gem. § 870 BGB gerichtet (vgl. Staudinger/Bund, BGB, Bearbeitung August 2000, § 861 Rz. 9). Dieser Herausgabeanspruch wird nicht gem. § 888 ZPO, sondern gem. § 886 ZPO vollstreckt (vgl. Palandt/Bassenge, BGB, 65. Aufl., § 861 Rz. 11). Die Verhängung eines Zwangsgeldes kommt mithin nicht in Betracht.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 891 S. 2 i.V.m. § 97 ZPO.
III. Soweit es den Streitwert erster Instanz betrifft hat der Senat den Streitwert gem. § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG von Amts wegen abgeändert.
Der Streitwert für den Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgeldes richtet sich nicht nach der Höhe des beantragten Zwangsgeldes, sondern nach dem Interesse des Gläubigers an der Durchsetzung der Leistung, was regelmäßig mit dem Wert der Hauptsache gleichzusetzen ist (vgl. Schneider/Herget, Streitwertkommentar, Rz. 4256; Senat, Beschl. v. 19.4.2007 - 2 W 39/07). Bei einstweiligen Verfügungsverfahren richtet sich der Streitwert gem. § 53 GKG i.V.m. § 3 ZPO zwar grundsätzlich nach einem Bruchteil des Hauptsachewerts (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 3 Rz. 16 "Einstweilige Verfügung"). Etwas anderes gilt aber für die Fälle der verbotenen Eigenmacht gem. § 858 ff. BGB. In diesen Fällen ist der Wert des einstweiligen Verfügungsverfahren mit dem Wert der Hauptsache gleichzusetzen (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 35. Aufl., § 53 GKG Rz. 3). Da Gegenstand der einstweiligen Verfügung der Anspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes ist und Hauptsache somit eine Besitzklage wäre, ist der Streitwert unter Rückgriff auf den Rechtsgedanken des § 6 ZPO zu bemessen, der auch auf solche Besitzansprüche Anwendung findet, bei denen es nur um den (vorläufigen) Schutz des Besitzes gegen Entziehung auf der Grundlage von § 861 BGB geht (vgl. Stein-Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 6 Rz. 3 f.). Demnach käme es vorliegend auf den Sachwert des streitgegenständlichen Objekts an, wobei auf den objektiven Verkehrswert abzustellen ist (vgl. Stein-Jonas/Roth, a.a.O.; Schneider/Herget, a.a.O., Rz. 1657; OLG Köln OLGReport Köln 1999, 336, zitiert nach JURIS Rz. 3). Zu berücksichtigen ist indes, dass es bei konsequenter Umsetzung dieser Argumentation zu einem Wertungswiderspruch kommen würde, weil der Streitwert im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens wegen verbotener Eigenmacht dann regelmäßig höher wäre, als beispielsweise der Streitwert einer Klage, die auf anfängliche Gebrauchsüberlassung der Mietsache (Besitzeinräumung) gerichtet wäre, und für den § 41 Abs. 1 GKG gilt (vgl. LG Halle MDR 1995, 208; Mayer, GKG, 5. Aufl., § 41 Rz. 6; vgl. OLG Celle v. 21.9.1988 - 2 W 66/88, MDR 1989, 272). Der Senat ist daher der Auffassung, dass der Streitwert für eine Leistungsverfügung wegen verbotener Eigenmacht auch bei Anwendung des Rechtsgedankens von § 6 ZPO der Höhe nach auf den Betrag begrenzt ist, der sich bei Anwendung von § 41 Abs. 1 GKG ergeben würde, so dass im Ergebnis regelmäßig das Zwö...