Leitsatz (amtlich)

Das Maß für Obsiegen und Unterliegen eines Beteiligten bestimmt sich nach seinem Antrag. Dessen Inhalt ist jedoch zuvor durch Auslegung zu ermitteln, insbesondere wenn beantragt wird, die Auftraggeberin müsse „nach der Rechtsauffassung der Vergabekammer” weiter verfahren. Die dazu dargestellte Rechtsauffassung wird nämlich der Antragsteller als eigene durchsetzen.

 

Normenkette

GWB § 128

 

Tenor

Auf die Kostenbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Vergabekammer bei dem Niedersächsischen Landesamt für Straßenbau zu VK 3/2003 zu Ziff. 3 und 5 des Tenors geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Kosten der Vergabekammer und die notwendigen Auslagen der Antragstellerin tragen zur Hälfte die Antragstellerin, zu je 1/4 tragen sie die Auftraggeberin und die Beigeladene.

Die Antragstellerin hat der Beigeladenen und der Auftraggeberin ihre notwendigen Auslagen je zur Hälfte zu erstatten. Im übrigen tragen sie diese jeweils selbst.

Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten war für die Antragstellerin und die Beigeladene notwendig.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten dieses Beschwerdeverfahrens trägt zu 1/3 die Beigeladene, zu 2/3 die Antragstellerin nach einem Wert von bis zu 21.000 Euro.

Es wird festgestellt, dass es für die Beigeladene und die Antragstellerin erforderlich war, einen Rechtsanwalt in diesem Beschwerdeverfahren hinzuzuziehen.

 

Gründe

I. Diese Entscheidung ergeht gemäß den §§ 120 Abs. 2, 69 Abs. 2 S. 2 GWB entsprechend ohne mündliche Verhandlung.

II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, denn die Kostenentscheidung der Vergabekammer kann nach § 116 Abs. 1 S. 1 GWB auch isoliert mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden (vgl. OLG Celle v. 18.4.2001 – 13 Verg 5/01; v. 13.2.2003 – 13 Verg 2/02, OLGReport 2002, 184; v. 6.6.2003 – 13 Verg 5/03; OLG Düsseldorf BauR 2000, 1626 [1627]; OLG Jena v. 30.1.2002 – 6 Verg 9/01). Die sofortige Beschwerde ist auch form- und fristgerecht eingelegt. III.

Die sofortige Beschwerde ist teilweise begründet.

1. Gemäß § 128 Abs. 3 GWB sind die Kosten des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer von dem zu tragen, der im Verfahren unterliegt. Für die Beurteilung insoweit kommt es auf den Ausgang des Nachprüfungsverfahrens im Verhältnis zu dem von den Beteiligten gestellten Anträgen an (OLG Jena v. 30.1.2002 – 6 Verg 9/01; OLG Naumburg, Beschl. v. 28.9.2001 – 1 Verg 9/01; OLG Celle, Beschl. v. 6.6.2003 – 13 Verg 5/03). Dies erfordert hier die im Tenor erkannte Änderung der Kostenentscheidung der Vergabekammer.

2. Die Vergabekammer hat bei ihrer Kostenentscheidung in dem angefochtenen Beschluss vom 27.5.2003 den Inhalt des Antrages der Antragstellerin nicht zutreffend ermittelt und bei der Prüfung der Frage, inwieweit die Antragstellerin mit diesem Antrag obsiegt hat, den unzureichend ausgelegten Antrag zum Gegenstand ihrer folgerichtigen Kostenentscheidung, die Kosten der Auftraggeberin und der Beigeladenen jeweils zur Hälfte aufzuerlegen, gemacht.

3. Tatsächlich hat die Antragstellerin jedoch bei verständiger Auslegung ihres Antrages im Hinblick auf diesen nicht vollständig obsiegt, sodass die Kostenentscheidung entsprechend neu zu fassen war.

a) Die Antragstellerin hat beantragt, der Auftraggeberin zu untersagen, der Beigeladenen den Zuschlag zu erteilen und sie zu verpflichten, die Angebote neu „unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer” zu bewerten und sodann den Zuschlag an die Antragstellerin zu erteilen.

b) Eben dies hat die Vergabekammer zum Teil getan. Sie hat lediglich nicht die Verpflichtung ausgesprochen, den Zuschlag an die Antragstellerin zu erteilen. Weil die Vergabekammer nach ihrer Bewertung damit weit überwiegend den Anträgen der Antragstellerin entsprochen hatte, hat sie die Kosten des Verfahrens der Auftraggeberin und der Beigeladenen – beide haben die Zurückweisung der Anträge der Antragstellerin begehrt – auferlegt.

c) Bei dieser Bewertung hat die Vergabekammer übersehen, dass der Antrag „unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut zu bewerten” nichts anderes darstellt, als die formelle Fassung des Begehrens der Antragstellerin, die Vergabekammer möge sich ihre, der Antragstellerin Rechtsauffassung zu Eigen machen und sodann diese Rechtsauffassung der Antragstellerin als Rechtsauffassung der Vergabekammer zum Maßstab der Bewertung der Angebote machen. Dieses Ziel hat die Antragstellerin mit dem angefochtenen Beschluss aber nicht erreicht. Denn sie wollte, dass die Auftraggeberin aus den von ihr, der Antragstellerin vorgetragenen Gründen die Beigeladene bei der Vergabe nicht berücksichtigt, um sodann ihr, der Antragstellerin, als im Range nachfolgender Bieterin den Auftrag zu erteilen. Dies sollte dadurch geschehen, dass die Beigeladene mit dem Nebenangebot N 3 ausgeschlossen würde. Eben das hat die Vergabekammer aber nicht getan. Sie hat die Beigeladene mit diesem Nebenangebot nicht ausgeschlossen (S. 15 des angefochtenen Beschlusses), ausdrücklich „entgegen...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge