Leitsatz (amtlich)
Nicht verbrauchte Gerichtskosten, die gemäß § 29 Abs. 4 KostVfg an den Prozessbevollmächtigten des Kostenschuldners und zu Unrecht nochmals an den Kostenschuldner persönlich zurückgezahlt worden sind, können nur vom Kostenschuldner zurückgefordert werden (Grundsatz der Rückabwicklung im Leistungsverhältnis), wenn die Zahlung an den Prozessbevollmächtigten im Rahmen einer wirksam erteilten Prozessvollmacht erfolgt ist, und diese bei Zahlungsanweisung noch nicht wirksam beschränkt war.
Tenor
Auf die Beschwerde der Kostenschuldnerin werden die Kostenrechnung mit Sollstellung der Kostenbeamtin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg ≪2 O 238/17≫ zum Kassenzeichen ... vom 14. März 2023, der die Erinnerung zurückweisende Beschluss des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg ≪2 O 238/17≫ vom 30. Oktober 2023 sowie der Nichtabhilfebeschluss der Einzelrichterin derselben Kammer vom 22. Dezember 2023 aufgehoben.
Die Entscheidung ergeht gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Die Entscheidung ist unanfechtbar.
Gründe
Die gemäß § 66 Abs. 2 S. 1 GKG zulässige Beschwerde der Kostenschuldnerin ist begründet. Die angefochtene Kostenrechnung mit Sollstellung war ebenso wie die gerichtlichen Entscheidungen der Einzelrichter im Erinnerungsverfahren aufzuheben, weil die Beteiligte zu 1) zu Unrecht von der Landeskasse auf Rückzahlung von 5.560,07 EUR in Anspruch genommen worden ist. Der Landeskasse steht gegenüber der Beteiligten zu 1) kein Rückzahlungsanspruch gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 8 und Abs. 2 JBeitrG zu. Der geltend gemachte Betrag ist nicht an die Beteiligte zu 1) "zuviel gezahlt" worden.
Die Beteiligte zu 1) ist als wirksam beauftragte Prozessbevollmächtigte des Klägers, der ausweislich des Kostenfestsetzungsbeschlusses der Rechtspflegerin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg ≪2 O 238/17≫ vom 29. Dezember 2020 einen in Höhe von 5.560,07 EUR die Gerichtskosten übersteigenden Betrag an die Landeskasse gezahlt hatte, durch die Zahlungsanweisung vom 8. Dezember 2020 nicht auf Kosten der Landeskasse zu Unrecht bereichert worden (§ 812 Abs. 1 S. 1 (1. Alt.) BGB). Wenngleich die Landeskasse ohne Rechtsgrund zweimal 5.560,07 EUR zu Gunsten des Klägers gezahlt hat, nämlich am 8. Dezember 2020 auf das Konto der Beteiligten zu 1) und am 3. Februar 2021 auf das Konto des Klägers, und sie diesen Betrag einmal gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 (1. Alt.) BGB zurückfordern kann, wendet sie sich mit der angefochtenen Kostenrechnung an den falschen Leistungsempfänger. Kostenschuldner eines Bereicherungsanspruchs der Landeskasse ist nicht die Beteiligte zu 1), sondern der Kläger.
Vorliegend hat die Beteiligte zu 2) mit Anweisung der Zahlung von 5.560,07 EUR auf das Konto der Beteiligten zu 1) zweifelsfrei eine Leistung im Sinne des § 812 Abs. 1 S. 1 (1. Alt.) BGB erbracht. Was durch eine Leistung erworben worden ist, kann in der Regel auch nur mit der Leistungskondiktion zurückgefordert werden [Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, 83. Auflage, Bearbeiter Sprau zu § 812 Rn. 7]. Unter eine Leistungskondiktion fällt die Rückabwicklung eines Leistungsverhältnisses, bei dem der Leistungszweck nicht erreicht wird oder sonst ein rechtlicher Grund für die durch Leistung eingetretene Vermögensverschiebung nicht besteht [ders., § 812 Rn. 13; Erman, Bürgerliches Gesetzbuch, 17. Auflage, Bearbeiter Buck-Heeb zu § 812 Rn. 17]. Die Leistung legt den Bereicherungsgegenstand, den Leistenden und den Leistungsempfänger und damit die Parteien des Bereicherungsanspruchs fest [Grüneberg-Sprau, § 812 Rn. 14]. Ein Bereicherungsanspruch besteht hier grundsätzlich nur innerhalb des Leistungsverhältnisses; der Leistende kann sich zum Ausgleich einer ungerechtfertigten Vermögensverschiebung nur an den Leistungsempfänger, nicht an einen Dritten halten [Erman/Buck-Heeb, § 812 Rn. 16; Münchener Kommentar, Bürgerliches Gesetzbuch, 8. Auflage, Bearbeiter Schwab zu § 812 Rn. 66; Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2007, Bearbeiter Lorenz zu § 812 Rn. 33; Grüneberg-Sprau, § 812 Rn. 13]. Denn der gebotene Ausgleich ist grundsätzlich auf die Partner des Leistungsverhältnisses reduziert [BGHZ 50, 227; Grüneberg-Sprau, § 812 Rn. 13]. Leistungsempfänger und damit Bereicherungsschuldner ist derjenige, dessen Vermögen der Leistende durch die Zuwendung gemäß der Zweckbestimmung vermehren will [BGH, NJW 2006, 286]. Das war hier fraglos der Kläger, der die nicht verbrauchten Gerichtskosten eingezahlt hatte:
Dem Kläger sollte nach dem Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg ≪2 O 238/17≫ vom 29. Dezember 2020 ein Betrag in Höhe von 5.560,07 EUR zurückgezahlt werden. Das Vermögen der Beteiligten zu 1) ist durch die Zahlung seitens der Landeskasse nicht vermehrt worden. Denn dem Kläger steht gemäß §§ 675 Abs. 1, 667 BGB ein Anspruch gegenüber der Beteiligten zu 1) auf Herausgabe hinsichtlich der Zahlungen zu, die die Rechtsanwältin aufgrund ihrer Tätigkeit im Rahmen des Anwaltsvertrage...