Leitsatz (amtlich)

  • 1.

    Sobald das erstinstanzliche Gericht in der Hauptsache entschieden hat, kann eine zuvor eingelegte sofortige Beschwerde gegen einen Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss allenfalls nur dann Erfolg haben, wenn das Landgericht die Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag verzögert hat.

  • 2.

    Wegen der fehlenden materiellen Rechtskraft der Entscheidung kann im Rahmen der sofortigen Beschwerde gegen einen Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss dahingestellt bleiben, ob das Rechtsmittel unzulässig oder unbegründet ist.

 

Verfahrensgang

LG Lüneburg (Entscheidung vom 11.12.2007; Aktenzeichen 5 O 320/07)

 

Tenor

Die am 20. Dezember 2007 beim Landgericht Lüneburg eingegangene sofortige Beschwerde des Beklagten vom 18. Dezember 2007 gegen den die Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 11. Dezember 2007 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Wert des Beschwerdegegenstands wird auf 13.800 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die gem. §§ 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, 567 Abs. 1, 569 ZPO zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist nicht begründet.

I.

Es ist bereits zweifelhaft, ob die sofortige Beschwerde zulässig ist. Wie eine sofortige Beschwerde gegen einen Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss zu behandeln ist, wenn die Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch vor Schluss der mündlichen Verhandlung zugeht, die sofortige Beschwerde aber erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingelegt wird und zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung die Hauptsacheentscheidung bereits ergangen ist, wird unterschiedlich beurteilt.

Teile der obergerichtlichen Rechtsprechung nehmen an, dass die sofortige Beschwerde gegen den Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss in Anbetracht der erstinstanzlich ergangenen Hauptsacheentscheidung wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses generell unzulässig sei (OLG Düsseldorf FamRZ 1978, 915; OLG Düsseldorf OLGZ 1989, 255 f., zitiert nach [...] Rdz. 2 f.; OLG Hamm JurBüro 1977, 1779; BFH BB 1986, 187; vgl. ferner OLG Karlsruhe FamRZ 2000, 102). Nach anderer Auffassung ist die sofortige Beschwerde zumindest dann unzulässig, wenn sie der Beschwerdeführer schon früher hätte einlegen können, ihm also keine Verletzung seiner prozessualen Sorgfaltspflichten vorgehalten werden kann (vgl. OLG Frankfurt MDR 1998, 494; OLG Brandenburg MDR 1999, 54, 55), so dass beispielsweise gegen einen Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss zumindest dann sofortige Beschwerde innerhalb der Rechtsmittelfrist eingelegt werden kann, wenn das Prozesskostenhilfegesuch erst zusammen mit der Hauptsachentscheidung beschieden wird (vgl. OLG Oldenburg NJWRR 1991, 189).

Die Entscheidung dieser Frage kann indes dahingestellt bleiben, weil die sofortige Beschwerde jedenfalls unbegründet ist. Die Erfolgsaussicht einer Rechtsverteidigung ist grundsätzlich nach dem Sach- und Streitstand zur Zeit der Beschwerdeentscheidung zu beurteilen (vgl. OLG Hamm FamRZ 2006, 214). Wenn aber zu diesem Zeitpunkt bereits eine Hauptsacheentscheidung ergangen ist, ist die Erfolgsaussicht zu verneinen (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 26. Auflage, § 127 Rdz. 49). Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Erstgericht die Bewilligung durch nachlässige oder fehlerhafte Bearbeitung verzögert hat (vgl. Zöller/Philippi, a. a. O.). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist am 5. Dezember 2007 beim Landgericht eingegangen. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Landgericht bereits mit Verfügung vom 20. November 2007 Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 12. Dezember 2007 anberaumt. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn das Gericht den Prozesskostenhilfeantrag mit Beschluss vom 11. Dezember 2007 ablehnt und diesen Beschluss dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten erst im Termin am 12. Dezember 2007 gegen Empfangsbekenntnis ausgehändigt hat.

Der Beklagte ist damit auch nicht schutzlos gestellt. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch zwar erst im Termin zur mündlichen Verhandlung zugegangen ist. Der anwaltlich vertretene Beklagte hätte die sofortige Beschwerde aber sogleich im Termin zur mündlichen Verhandlung einlegen bzw. im Hinblick auf die ablehnende Entscheidung eine Vertagung beantragen können (vgl. Zöller-Philippi, a. a. O., § 118 Rdz. 14 a). Wenn er dies unterlässt und stattdessen den Antrag auf Klagabweisung stellt, geht dies zu seinen Lasten.

II.

Der Senat war auch nicht aus prozessualen Gründen dazu verpflichtet, die Frage der Zulässigkeit vor der Frage der Begründetheit abschließend zu klären. Der prozessuale Vorrang der Zulässigkeitsfrage gilt nicht schrankenlos. Nach Teilen der obergerichtlichen Rechtsprechung ist eine Vorrang der Zulässigkeitsfrage im Beschwerdeverfahren zumindest dann zu verneinen, wenn die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen (duae difformes) nicht besteht und die...

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