Normenkette
BGB § 823
Verfahrensgang
LG Hannover (Aktenzeichen 19 0 273/96) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerinnen wird das am 19.7.2001 verkündete Urteil der 19. Zivilkammer des LG Hannover geändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 1) 15.339 EUR nebst 4 % Zinsen seit dem 19.9.1996 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 2) 9.755,45 EUR nebst 4 % Zinsen seit dem 19.9.1996 und weitere 15.487,28 EUR nebst 4 % Zinsen seit dem 10.3.1999 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägerinnen allen weiteren materiellen Schaden der … aus der ärztlichen Behandlung im Zusammenhang mit ihrer Geburt am 5.7.1990 zu ersetzen, soweit dieser aufgrund sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften auf die Klägerinnen übergegangen ist oder noch übergeht.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist für die Klägerinnen gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 125 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Den Parteien bleibt nachgelassen, die Sicherheit auch durch ein europäisches Geldinstitut, welches einem anerkannten Einlagensicherungsfonds angehört, zu erbringen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Wert der Beschwer für die Beklagte: über 20.000 EUR.
Tatbestand
Die Klägerinnen nehmen die Beklagte aus übergegangenem Recht gem. § 116 SGB X auf Zahlung von Schadensersatz und Feststellung ihrer Einstandspflicht für zukünftige materielle Schäden wegen angeblicher Behandlungsfehler im Zusammenhang mit der Geburt von … in Anspruch.
Deren Mutter, Frau …, begab sich am 5.6.1990 gegen 16:00 Uhr (so die Klägerinnen) bzw. 16:30 Uhr (so die Beklagte unter Berufung auf die Krankenunterlagen) in der 37. + 6. Schwangerschaftswoche in das Krankenhaus der Beklagten, weil sie kaum noch Kindsbewegungen spürte. Von 16:30 Uhr bis 17:05 Uhr wurde ein – im Geburtsbericht der Beklagten vom 7.7.1993 (Bl. 187 f. d. A.) selbst so bezeichnetes – hochpathologisches Cardiotokogramm (CTG) geschrieben. Nach intravenöser Gabe von Partusisten um 17:10 Uhr und um 17:20 Uhr wurde bis 17:30 Uhr eine dopplersonographische Untersuchung der Nabelschnur und der kindlichen Gefäße durchgeführt, aufgrund derer dann die Indikation zur Sectio gestellt wurde. Diese begann um 17:58 Uhr, um 18:07 Uhr wurde … geboren. Der Apgar-Wert lag bei 3/4/7, der Nabelschnur-pH-Wert betrug 7,16. Der bei der Geburt anwesende Pädiater beschrieb … als ein schwer-asphyktisches Neugeborenes ohne Spontanatmung und ohne Spontanmotorik. Zwei Stunden nach der Geburt wurde … in die Kinderklinik 'Auf der Bult' verlegt; eine dort durchgeführte Untersuchung war neurologisch unauffällig.
Die Entwicklung von … war in ihren ersten Lebensmonaten nicht auffällig. Insgesamt kam es jedoch zu erheblichen Entwicklungsverzögerungen. Derzeit leidet … an schweren spastisch-ataktischen Bewegungstörungen, sodass sie auf die Benutzung des Rollstuhls angewiesen ist; auch die sprachliche und intellektuelle Entwicklung ist nicht altersgerecht. Ferner sind ihre visuellen Fähigkeiten eingeschränkt. Sie ist schwerstpflegebedürftig i.S.d. Pflegestufe III.
Die Klägerinnen haben behauptet, dass das von Anfang an hochpathologische CTG innerhalb einer Stunde zur Geburt des Kindes hätte führen müssen. Das weitere Zuwarten und die Durchführung der Dopplersonographie seien grob fehlerhaft gewesen. Wäre … eine Stunde früher geboren worden, wäre die auf einer Sauerstoffunterversorgung beruhende Behinderung ausgeblieben, jedenfalls aber deutlich geringer ausgefallen.
Die Beklagten haben den Vorwurf eines groben Behandlungsfehlers zurückgewiesen und für die Behinderung von … eine – unstreitig vorliegende – Plazentainsuffizienz verantwortlich gemacht.
Dem LG lagen die vorprozessual erstellten Gutachten von … (Bl. 18 ff. d. A.) und … (Bl. 230 ff. d. A.) vor. Es hat gem. Beweisbeschlüssen vom 13.3.1997 (Bl. 107 d.A.) und vom 1.8.1997 (Bl. 120 d. A.) zusätzlich ein gynäkologisches Gutachten des Oberarztes … sowie ein pädiatrisches Gutachten von … eingeholt und sich diese auch mündlich erläutern lassen (Sitzungsprotokoll vom 28.6.2001, Bl. 324 ff. d. A.). Sodann hat es die Klage abgewiesen. Den Ärzten der Beklagten sei zwar angesichts des hochpathalogischen CTG ein grober Behandlungsfehler unterlaufen, indem die Sectio mit einer zeitlichen Verzögerung von 25–35 Minuten durchgeführt worden sei. Ein Schadensersatzanspruch scheitere aber daran, dass die mit der Zeitverzögerung verbundene Sauerstoffunterversorgung nicht in dem erforderlichen Maß geeignet gewesen sei, den hier fraglichen Gesundheitsschaden herbeizuführen. Sicher feststellbar sei lediglich eine 1 %-ige Mitverursachung neben der unstreitigen Plazentainsuffizienz.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerinnen. Diese meinen, dass das LG zu Unrecht einen Kausalzusammenhang verneint habe. Ein solcher entfalle bei einem groben Behandlungsfehler nur dann, wenn die Kausalität gänzlich bzw. äußerst unwahrscheinli...