Leitsatz (amtlich)
Die belastende Wirkung einer für sich allein gesehen noch hinnehmbaren Klausel kann durch eine oder mehrere weitere Vertragsbestimmungen derart verstärkt werden, dass der Vertragspartner des Verwenders im Ergebnis unangemessen benachteiligt wird. Ergibt sich eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners erst aus der Gesamtwirkung zweier, jeweils für sich genommen nicht zu beanstandender Klauseln, sind beide Klauseln unwirksam. Denn es ist nicht Sache des Gerichts auszusuchen, welche der beiden Klauseln bestehen bleiben soll.
Sehen vom Auftraggeber gestellte Vertragsbestimmungen eine 10%ige Vertragserfüllungsbürgschaft und zusätzlich einen 5%iger Einbehalt der Abschlagszahlungen, ist der zulässige Sicherungseinbehalt überschritten. Die dadurch entstehende Gesamtbelastung durch die vom Auftragnehmer zu stellenden Sicherheiten überschreiten das Maß des Angemessenen. Sie lassen sich kumulativ durch das Interesse des Auftraggebers an Absicherung nicht rechtfertigen.
Tenor
I. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 11.000,00 EUR festzusetzen.
II. Es wird erwogen, die Berufung der Klägerin gegen das am 23.06.2021 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 14. Zivilkammer des Landgerichts Hannover, Az. 14 O 234/20, durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
III. Den Parteien wird Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen seit Zugang dieses Beschlusses gegeben.
Gründe
I. Der Senat erwägt eine Zurückweisung der Berufung der Klägerin gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als offensichtlich unbegründet.
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist nicht erforderlich. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.
Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Dabei ist der Senat gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die vom Landgericht festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Im vorliegenden Fall ist unter keinem der vorgenannten Gesichtspunkte eine Änderung der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts veranlasst. Das Landgericht hat zu Recht einen Anspruch der Klägerin aus der Vertragserfüllungsbürgschaft abgewiesen.
1. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 11.000,00 EUR gem. § 765 Abs. 1 BGB. Danach verpflichtet sich der Bürge gegenüber dem Gläubiger eines Dritten, für die Erfüllung der Verbindlichkeit des Dritten einzustehen. Vorliegend besteht diese Verbindlichkeit nicht, denn die der Bürgschaft zugrundeliegende Sicherungsabrede in § 5.2 und § 14.3 des Bauvertrages zwischen der Klägerin und der Schuldnerin ist unwirksam.
a) Bei den Klauseln § 5.2 und § 14.3 des Bauvertrags zur Durchführung von Montagearbeiten handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, die wirksam in den Vertrag einbezogen wurden. Charakteristisch für Allgemeine Geschäftsbedingungen sind die Einseitigkeit ihrer Auferlegung sowie der Umstand, dass der andere Vertragsteil, der mit einer solchen Regelung konfrontiert wird, auf ihre Ausgestaltung gewöhnlich keinen Einfluss nehmen kann (BGH, Urteil vom 17. Februar 2010 - VIII ZR 67/09, BGHZ 184, 259, Rn. 18, juris). Es ist bereits nicht behauptet, dass die Klägerin die Bedingungen zur Disposition ihrer Auftragnehmerin gestellt hat. Zudem ergibt sich aus dem Inhalt und der Gestaltung der in einem Bauvertrag verwendeten Bedingungen ein von dem Verwender zu widerlegender Anschein, dass die Klauseln zur Mehrfachverwendung vorformuliert worden sind (BGH, Urteil vom 23. Juni 2005 - VII ZR 277/04 -, Rn. 8, juris). Bereits die Gestaltung der Präambel des Vertrages, in der die Klägerin genannt und mit "nachstehend als 'I.' bezeichnet" wird und die Auftragnehmerin lediglich mit "nachstehend als Auftragnehmerin bezeichnet" benannt wird, bestätigt den Anschein, dass diese Bedingungen mehrfach zwischen der Klägerin und unterschiedlichen Auftragnehmern gestellt werden, weil eine Differenzierung in der Bezeichnung ansonsten regelmäßig nicht vorgenommen wird. Diesen Anschein hat die Klägerin nicht widerlegt.
b) Die vorgenannten Klauseln des Bauvertrages sind daher an §§ 305 ff. BGB zu messen (hierzu: Senat, Urteil vom 02.10.2019 - 14 U 94/19 -, Rn. 37 m.w.N., juris).
Gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Fall, wenn die Sicherung von Vertragserfüllungsansprüchen eine Größenordnung von 10 % überschreiten (Schulze...