Entscheidungsstichwort (Thema)
Beiordnung eines Pflichtverteidigers wegen besonderer Schwierigkeit. Gefahr des Widerrufs der Bewährung nach Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens
Leitsatz (amtlich)
›Bei drohender Vollstreckung von insgesamt 15 Monaten Freiheitsstrafe und der Notwendigkeit, in einem für den Widerruf relevanten Verfahren ein psychiatrisches Sachverständigengutachten einzuholen, ist für den Verurteilten eine besondere Schwierigkeit im Sinne von § 140 Abs. 2 StPO gegeben.‹
Gründe
1. Der Verurteilte wendet sich mit seiner Beschwerde gegen einen Beschluss, mit welchem die Strafvollstreckungskammer es abgelehnt hat, ihm im Rahmen einer anstehenden Entscheidung über einen Widerrufsantrag einen notwendigen Verteidiger beizuordnen. Die Kammer hat hierzu ausgeführt, im Falle eines Widerrufs der Strafaussetzung zur Bewährung habe der Verurteilte allenfalls das Verbüßen einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten zu erwarten, was eine Beiordnung nicht erfordere.
2. Die Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Die angefochtene Entscheidung konnte keinen Bestand haben. Dies gilt insbesondere, soweit die Strafvollstreckungskammer ihre Entscheidung mit der Höhe der im Falle eines Widerrufs "allenfalls" zu verbüßenden Freiheitsstrafe begründet hat. Denn das Vollstrecken einer Freiheitsstrafe von neun Monaten Dauer steht überhaupt nicht in Rede. So hätte der Verurteilte im Falle eines Widerrufs jedenfalls in vorliegendem Verfahren aus einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten Dauer noch das Verbüßen eines Strafrests von drei Monaten Dauer zu erwarten. Hinzu kommt aber, dass im Falle eines Widerrufs in vorliegender Sache auch der Widerruf der Strafaussetzung in dem Verfahren zum Urteil des Amtsgerichts B. vom 9. Januar 2006 mit einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten Dauer im Raume stünde, weshalb der Verurteilte für den Fall eines Widerrufs eine Strafvollstreckung von Freiheitsstrafe von insgesamt 15 Monaten Dauer zu gewärtigen hat. Allein dies kann zur Notwendigkeit einer Beiordnung im Vollstreckungsverfahren führen. Hinzu kommt hier, dass der Verurteilte sich vor nicht langer Zeit vorübergehend in psychiatrischer Unterbringung befand und in dem beim Amtsgericht B. derzeit anhängigen Verfahren wegen des Verdachts der Bedrohung pp. das Einholen eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens erforderlich erschien. Hiernach ist nicht auszuschließen, dass der Verurteilte in vorliegendem Verfahren nicht in der Lage ist, sich selbst hinreichend zu verteidigen. Mit alledem hat die Strafvollstreckungskammer sich nicht auseinander gesetzt. Schließlich konnte nicht außer Acht bleiben, dass sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Strafvollstreckungskammer im Hinblick auf den Vorwurf der Bedrohung einen Widerruf offenbar bereits erwägen, obwohl die fragliche Tat noch nicht in einem für § 56 f StGB erforderlichen Maße feststeht. Dies begründet für den Verurteilten überdies eine besondere Schwierigkeit im Sinne von § 140 Abs. 2 StPO.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO in entsprechender Anwendung. Ein Rechtsmittel gegen die vorliegende Entscheidung ist nach § 304 Abs. 4 StPO nicht eröffnet.
Fundstellen
Haufe-Index 2571529 |
NStZ-RR 2008, 80 |
StV 2007, 375 |
StraFo 2007, 346 |