Entscheidungsstichwort (Thema)
Geschwindigkeitsüberschreitung. Kraftfahrstraße. Verwaltungsvorschriften. Abweichung. Richtlinien für die Verkehrsüberwachung. fehlende Rechtskenntnis. Messbeamte
Leitsatz (amtlich)
Keine schuldmindernde Auswirkung der fehlenden Kenntnis des Messbeamten von den mit der Verkehrsüberwachung verbundenen Vorschriften
Tenor
1. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen und die Sache auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen, weil es geboten ist, das Urteil zur Fortbildung des Rechts nachzuprüfen (§§ 80 Abs. 1 Nr. 1, 80a Abs. 3 OWiG).
2. Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.
3. Der Betroffene hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Burgdorf setzte gegen den Betroffenen wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 18 km/h eine Geldbuße von 140,00 € fest.
Nach den getroffenen Feststellungen befuhr der Betroffene am 07.02.2023 um 09:07 Uhr mit einem Lkw die Bundesstraße B ... in der Gemarkung B. im Abschnitt ..., Station ..., in Fahrtrichtung H. und überschritt die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit für Lkws von 60 km/h unter Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt - nach Toleranzabzug von 3 km/h - um 18 km/h. In diesem Bereich ist die B ... nicht mehr als Kraftfahrstraße ausgewiesen. Die Geschwindigkeitsmessung erfolgte unter Beachtung der Vorgaben der Bedienungsanleitung mit der gültig geeichten Geschwindigkeitsmessanlage Poliscan FM1 durch den an dem Messgerät geschulten Mitarbeiter der Region H. Herrn B.
Gegen dieses Urteil richtet sich die mit dem Antrag auf Zulassung verbundene Rechtsbeschwerde des Betroffenen. Es werde ein Verfahrensfehler in Form einer Aufklärungsrüge gerügt. Das Amtsgericht habe es unterlassen, den Messbeamten Herrn B. auch dahingehend zu befragen, ob dieser gemäß Ziffer 3.3 des Abschnitts 3 der Richtlinien für die Überwachung des fließenden Straßenverkehrs durch Straßenverkehrsbehörden vom 25.11.1994 - Gem. RdErl. d. MI u. d. MW v. 25.11.1994 - (VORIS 21014 00 00 00 011) hinreichend geschult worden sei. Es habe sich gegebenenfalls Schulungsprotokolle des Messbeamten vorlegen lassen müssen. Neben der Schulung über das Messgerät sei nach den Richtlinien zwingend vorgeschrieben, dass das Messpersonal auch Kenntnisse über die mit der Verkehrsüberwachung verbundenen Vorschriften erhalte. Es handele sich nicht um eine Ermessensvorschrift. Auch eine Verwaltungsvorschrift müsse, auch wenn sie im Grundsatz keine Außenwirkung habe, im Sinne einer Gleichbehandlung berücksichtigt werden. Das Amtsgericht habe den Verstoß gegen die Richtlinien nicht zur Kenntnis genommen. Es sei davon auszugehen, dass der Messbeamte im Hinblick auf die Straßenverkehrsvorschriften nicht hinreichend geschult gewesen ist. Das Gericht habe deshalb prüfen müssen, ob von der Regelgeldbuße abgewichen werden kann. Dem Betroffenen sei vor folgendem Hintergrund nur geringstes Verschulden anzulasten:
"Die Straße im einspurigen Bereich ist als Kraftfahrstraße ausgewiesen worden, obwohl die entsprechenden Voraussetzungen hierfür gar nicht gegeben waren. Bei Erweiterung dieser Straße zu zwei Spuren wurde die Kraftfahrstraße als solche aufgehoben, obwohl hier tatsächlich eine Kraftfahrstraße vorliegt. Die Folge war, dass im einspurigen Bereich die Geschwindigkeit von 80 km/h zulässig war, im zweispurigen Bereich lediglich eine solche von 60 km/h, da der Betroffene einen 7,5 Tonner Lkw fuhr."
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil vom 13.10.2023 als unbegründet zu verwerfen.
II.
Das Rechtmittel hat keinen Erfolg.
1.
Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG zur Fortbildung des Rechts zuzulassen. Die Frage, ob und ggf. wie es sich auswirkt, wenn ein Messbeamter die entsprechend einer Verwaltungsrichtlinie vorgesehene Qualifikation der Kenntnis der mit der Verkehrsüberwachung verbundenen Vorschriften nicht nachweisen kann, wurde bislang - soweit ersichtlich - obergerichtlich nicht entschieden.
2.
Aus den vorgenannten Gründen ist die Sache gemäß § 80a Abs. 3 OWiG von der Einzelrichterin auf den Senat übertragen worden.
3.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
a)
Die Aufklärungsrüge geht zwar schon deshalb ins Leere, weil sie übersieht, dass im angefochten Urteil explizit festgestellt wird, dass der Messbeamte die in der Niedersächsischen Richtlinie für die Überwachung des fließenden Straßenverkehrs durch Straßenverkehrsbehörden (Gem. RdErl. d. MI u. d. MW v. 25.11.1994, zuletzt geändert durch RdErl. vom 07.10.2010, VORIS 21014 00 00 00 011) unter 3.3 des Abschnitts 3 aufgeführte Qualifikation, die eine Kenntnis der mit der Verkehrsüberwachung verbundenen Vorschriften (Gesetze, Erlasse, Rechtsprechung) vorsieht, nicht nachweisen kann.
Es ergibt sich aber aus dem Inhalt der nach allgemeinen Grundsätzen auszulegenden Begründung der Rechtsbeschwerde (vgl. Meyer-Goßner/Schm...