Leitsatz (amtlich)
Bei einstweiligen Verfügungsverfahren in Wettbewerbssachen, in denen die Verwendung einer nicht den Anforderungen der §§ 312c Abs. 1 Satz 1, 355 Abs. 2 Satz 2 BGB entsprechenden Widerrufsbelehrung untersagt werden soll, kann bei der Bemessung des Streitwerts von einem Richtwert von 3.000 EUR ausgegangen werden.
Normenkette
BGB § 312c Abs. 1 S. 1, § 355 Abs. 2 S. 2; ZPO § 3
Verfahrensgang
LG Hildesheim (Beschluss vom 18.09.2007; Aktenzeichen 11 O 35/07) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Verfügungsbeklagten wird der Beschluss der 2. Kammer für Handelssachen des LG Hildesheim vom 18.9.2007 abgeändert.
Der Streitwert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die gem. § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat Erfolg. Das Interesse der Verfügungsklägerin am Erlass der einstweiligen Verfügung erscheint mit einem Streitwert von 3.000 EUR ausreichend bemessen.
Bei der Bestimmung des klägerischen Interesses sind u.a. zu berücksichtigen die Gefahr der Beeinträchtigung des verletzten Mitbewerbers durch die angegriffene Wettbewerbshandlung (vgl. Schneider/Herget, Streitwertkommentar für den Zivilprozess, 12. Aufl., Rz. 2369 f.) sowie Art und Umfang der Streitsache, vgl. § 12 Abs. 4 UWG. Unter Berücksichtigung dieser Umstände erscheint dem Senat vorliegend ein Streitwert von 3.000 EUR als angemessen.
1. Die Verfügungsklägerin wendet sich dagegen, dass der Verfügungsbeklagte in seinem Internetauftritt eine nicht den Anforderungen der §§ 312c Abs. 1 Satz 1, 355 Abs. 2 Satz 2 BGB entsprechende Widerrufsbelehrung verwende. Ein derartiger Wettbewerbsverstoß wird die geschäftlichen Belange des verletzten Mitbewerbers nach Einschätzung des Senats in aller Regel nur unwesentlich beeinträchtigen. An der Erfüllung der entsprechenden gesetzlichen Verpflichtungen besteht zwar zum Schutze der Verbraucher ein erhebliches Allgemeininteresse, weshalb Widerhandlungen regelmäßig die Bagatellgrenze des § 3 UWG überschreiten. Die Interessenlage des Mitbewerbers, die die Streitwertbemessung für einen Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG maßgeblich beeinflusst, wird durch einen solchen Wettbewerbsverstoß jedoch nur unwesentlich berührt. Der Umstand, dass eine Widerrufsbelehrung inhaltlich nicht den gesetzlichen Vorschriften entspricht, erscheint dem Senat nämlich lediglich als bedingt geeignet, die Kaufentscheidung des Verbrauchers zugunsten des Verletzers und zum Nachteil seiner sich gesetzestreu verhaltenden Konkurrenten zu beeinflussen. In der Regel wird der Verbraucher seine Kaufentscheidung nicht von der konkreten Ausgestaltung der Widerrufsbelehrung abhängig machen, zumal fraglich sein dürfte, ob der durchschnittliche, rechtlich nicht vorbelastete Verbraucher den gesetzlich vorgeschriebenen Inhalt einer Widerrufsbelehrung überhaupt kennt (vgl. dazu auch OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.8.2006 - 6 W 117/06). Auch dass der Verletzer durch Verwendung einer zu kurzen Widerrufsfrist deshalb nennenswerte wirtschaftliche Vorteile erlangen wird, weil einzelne Verbraucher aufgrund dieser Belehrung einen im Falle der Verwendung einer inhaltlich zutreffenden Widerrufsbelehrung getätigten Widerruf nicht vornehmen, erscheint dem Senat als eher fernliegend.
2. Die vorliegende Sache ist nach Art und Umfang zudem auch einfach gelagert. Davon ist auszugehen, wenn die Sache nach Art und Umfang ohne größeren Arbeitsaufwand von den Parteien bzw. ihren Anwälten zu bearbeiten ist und sich damit als "tägliche Routinearbeit" darstellt (vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 25. Aufl., § 12 UWG Rz. 5.22). Einfach gelagerte Streitigkeiten sind beispielsweise in serienweise wiederkehrenden Wettbewerbsverletzungen und rechtlich eindeutigen Verstößen zu sehen (vgl. Schneider/Herget, a.a.O., Rz. 2407 f.).
Streitgegenständlich ist vorliegend eine Abmahnung wegen eines Wettbewerbsverstoßes, der in der Verwendung einer nicht den Anforderungen der §§ 312c Abs. 1 Satz 1, 355 Abs. 2 Satz 2 BGB entsprechenden Widerrufsbelehrung liegen soll. Dem Senat ist aus eigener Erfahrung bekannt, dass es sich hierbei um einen häufig vorkommenden Standardfehler in den im Internet verwendeten Widerrufsbelehrungen handelt. Diesbezügliche Abmahnungen sind einfachen Charakters, da sie sich aus verschiedenen Textbausteinen zusammensetzen. Die Abmahnungen in diesem Bereich wiederholen sich in einer Vielzahl von ähnlich gelagerten Fällen und müssen, wenn überhaupt, nur geringfügig angepasst werden (vgl. auch LG Münster, Urt. v. 4.4.2007 - 2 O 594/06). Dass die Verfügungsklägerin, wie sie vorträgt, mit ihrer Klage "insbesondere auf die individuellen Gegebenheiten dieses Falles abgestellt" hat und mithin keine "ungeprüfte oder massenhaft-schematische Fallbearbeitung vorliegt", vermag der Senat nicht zu erkennen. Im Gegenteil besteht die Klageschrift im Wesentlichen aus einer Aneinanderreihung von einschlägigen Rechtsprechungsnachweisen. Die "individuelle Komponente" der Klageschrift besteht allein darin, dass in insgesamt drei Sätzen die...