Entscheidungsstichwort (Thema)
Vaterschaftsanfechtung: Hemmung der Frist durch höhere Gewalt
Leitsatz (amtlich)
Dass in den Entscheidungsgründen eines Scheidungsurteils ausgeführt ist, das während der Ehe geborene Kind stamme nicht vom Ehemann ab, führt dann nicht zu einer Hemmung der zweijährigen Anfechtungsfrist (§ 1600b Abs. 5 BGB i.V.m. § 206 BGB), wenn die Prozessbevollmächtigte des Ehemanns im Scheidungsverfahrens ihn über die Notwendigkeit der Anfechtung der gesetzlichen Vaterschaft hätte informieren müssen oder den Ehemann eine Obliegenehit zur Nachfrage traf.
Normenkette
BGB §§ 206, 1599 Abs. 1, § 1600b Abs. 1, 5
Verfahrensgang
AG Wennigsen (Deister) (Beschluss vom 22.01.2010; Aktenzeichen 7 F 293/09) |
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
Die gem. §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
Das AG hat dem Antragsteller im angefochtenen Beschluss zu Recht Prozesskostenhilfe für seinen beabsichtigten Antrag auf Anfechtung der Vaterschaft versagt, weil seine Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 ZPO).
Der Antragsteller hatte seit Februar 2002 Kenntnis von der Geburt des Kindes, so dass die zweijährige Frist zur Anfechtung der Vaterschaft gem. § 1600b Abs. 1 BGB bei Anhängigkeit des vorliegenden Verfahrens im November 2009 abgelaufen war.
Der Lauf der Anfechtungsfrist ist nicht gem. § 1600b Abs. 5 Satz 3 BGB infolge höherer Gewalt gehemmt. Die in Bezug genommenen Vorschrift des § 206 BGB bestimmt, dass die Verjährung gehemmt ist, solange der Gläubiger innerhalb der letzten sechs Monate der Verjährungsfrist durch höhere Gewalt an der Rechtsverfolgung gehindert ist. Nach der Rechtsprechung des BGH sind an die Annahme höherer Gewalt strenge Anforderungen zu stellen. Das Hindernis an der Rechtsverfolgung muss auf Ereignissen beruhen, die auch durch die äußerste, nach der Sachlage vom Betroffenen vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhindert werden konnten (vgl. BGH FamRZ 2008, 1921, 1923). Bereits das geringste Verschulden schließt höhere Gewalt aus (vgl. BGH NJW 1997, 3164). Die Rechtsunkenntnis oder ein Rechtsirrtum des Antragstellers stellen i.d.R. keine höhere Gewalt dar (vgl. BGHZ 24, 124 ff.; BGH FamRZ 1991, 325, 327 [zur Rechtsunkenntnis eines ghanaischen Staatsangehörigen]; 1994, 1313). Ausnahmen sind in der Rechtsprechung dann angenommen worden, wenn ein Fehlverhalten von Behörden oder Gerichten den Rechtsirrtum hervorgerufen oder verstärkt hat oder selbst bei aller vernünftigerweise zumutbaren Sorgfalt nicht zu vermeiden gewesen (vgl. BGH FamRZ 1994, 1313; BGHZ 129, 282 ff. ; Helms/Kieniger/Rittner, Abstammungsrecht in der Praxis, Rz. 101). Eine höhere Gewalt begründende Rechtsunkenntnis oder ein Rechtsirrtum sind jedoch dann ausgeschlossen, wenn diese auf eigenem oder dem Beteiligten zurechenbaren Verschulden seines Verfahrensbevollmächtigten beruhen (BGH FamRZ 2008, 1921, 1923 [bei Änderung der Gesetzeslage]; 1994, 325, 327 [zur Erkundigungsobliegenheit des rechtlichen Vaters]).
Vor diesem Hintergrund ist das AG zutreffend davon ausgegangen, dass die Vaterschaftsanfechtungsfrist nicht durch höhere Gewalt gehemmt war. Zwar weist der Antragsteller auch mit seiner Beschwerde darauf hin, dass nach dem Tatbestand des Scheidungsurteils vom 20.3.2002 (... F ... AG H.) das Kind T. "nach Angaben der Parteien nicht vom Ehemann abstammt." Grundsätzlich kann der Umstand, dass im Tatbestand eines Scheidungsurteils angeführt ist, dass aus der Ehe keine Kinder hervorgegangen sind (vgl. OLG Frankfurt DAVorm 1984, 405 f.), oder dort festgestellt wird, dass das aus der Ehe hervorgegangene Kind durch die nachfolgende Eheschließung legitimiert sei (vgl. OLG Schleswig DAVorm 1984, 703 ff.) einen Vertrauenstatbestand auf Seiten des rechtlichen Vaters entstehen lassen, der die Hemmung der Anfechtungsfrist rechtfertigt. Hierfür können insbesondere weitere Umstände sprechen, wenn der rechtliche Vater über keine juristischen Vorkenntnisse verfügt, gegen ihn keine Ansprüche aus der verwandtschaftlichen Beziehung, etwa auf Kindesunterhalt, geltend gemacht wurden oder er durch die Übertragung der elterlichen Sorge in seiner Einschätzung der Rechtslage bestärkt wurde.
Vorliegend stellt der Senat jedoch maßgeblich darauf ab, dass der Antragsteller in dem von ihm eingeleiteten Scheidungsverfahren mit Schriftsatz vom 26.2.2002 die Abtrennung der Folgesache Versorgungsausgleich gem. § 628 ZPO a.F. mit der Begründung beantragt hatte, dass ihm eine weitere Verfahrensverzögerung nicht zuzumuten sei, weil aus der Verbindung seiner (geschiedenen) Ehefrau mit ihrem Lebenspartner bereits ein Kind hervorgegangen ist. Die damalige Prozessbevollmächtigte des Antragstellers hatte daher von der Geburt des Kindes vor Rechtskraft der Ehescheidung Kenntnis. Damit oblag es ihr, den Antragsteller aus dem für das Scheidungsverfahren bestehenden Mandatsverhältnis darüber zu informieren, dass seine rechtlich bestehende Vaterschaft allein im Wege der Anfechtungsk...