Entscheidungsstichwort (Thema)

Entpflichtung des Pflichtverteidigers bei Weigerung des Tragens eines Mund-Nase-Schutzes in der Hauptverhandlung

 

Leitsatz (amtlich)

Die hartnäckige und unbegründete Weigerung, entgegen der Anordnung des Vorsitzenden in der Hauptverhandlung einen medizinischen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, kann eine Entpflichtung des notwendigen Verteidigers zur Folge haben.

 

Normenkette

StPO § 143a

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 15.06.2021; Aktenzeichen StB 24/21)

 

Tenor

Die Beschwerde wird als unbegründet verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

 

Gründe

I.

Mit Anklageschrift vom 17. Januar 2018 erhob die Staatsanwaltschaft Hildesheim gegen den Beschwerdeführer und zwei Mitangeklagte im Verfahren 21 Js 1192/13 Anklage zur großen Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Hildesheim. Dem Angeklagten B. werden mit der Anklageschrift 7 Taten des Betruges in einem besonders schweren Fall gem. §§ 263 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 und 2, 25 Abs. 2, 53 StGB zur Last gelegt.

Mit Beschluss vom 1. August 2019 ließ das Landgericht Hildesheim die Anklage zur Hauptverhandlung zu und eröffnete das Hauptverfahren.

Mit dem in der Hauptverhandlung vom selben Tage verkündeten Beschluss vom 10. März 2021 hat die Strafkammer 4 - 1. große Wirtschaftsstrafkammer - das Verfahren gegen den Angeklagten B. abgetrennt, die Hauptverhandlung gegen diesen nach § 145 Abs. 1 StPO wegen eines einem unentschuldigten Ausbleiben gleichzusetzenden Verhaltens seines Verteidigers in der Hauptverhandlung ausgesetzt und dem Verteidiger, Rechtsanwalt K., die durch die Aussetzung verursachten Kosten gemäß § 145 Abs. 4 StPO auferlegt. Hintergrund dieser Entscheidung war, dass der Verteidiger sich wiederholt geweigert hatte, der von der Kammer getroffenen Anordnung, im Gerichtssaal einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, und durch die die Kammer eine von dem Vorsitzenden zuvor getroffene Anordnung bestätigt hatte, zu folgen.

Die gegen diese Entscheidung gerichtete Beschwerde des Angeklagten vom 15. März 2021, hat der Senat durch Beschluss vom 15. April 2021 (Az.: 3 Ws 91/21; BeckRS 2021, 8318) als unbegründet verworfen, da weder die von der Kammer angeordnete Abtrennung des Verfahrens betreffend den Angeklagten B. noch die Aussetzung und die damit verbundene Auferlegung der Kosten auf den Verteidiger zu beanstanden waren. Hinsichtlich der näheren Einzelheiten wird auf die Gründe dieses Beschlusses Bezug genommen.

Mit Verfügung vom 18. März 2021 wies der Vorsitzende der Strafkammer des Landgerichts Hildesheim den Angeklagten B. und seinen Pflichtverteidiger Rechtsanwalt K. sowie die Staatsanwaltschaft Hildesheim darauf hin, dass er beabsichtige, die Bestellung von Rechtsanwalt K. zum Pflichtverteidiger gem. § 143a Abs. 2 Nr. 3 2. Alt. StPO aufzuheben. Zugleich wurde dem Angeklagten Gelegenheit durch Schreiben vom 18. und 29. März 2021 gegeben, bis zum 8. April 2021 einen neuen Verteidiger seiner Wahl zu benennen. Nachdem der Angeklagte daraufhin wiederholt seinen Willen, weiterhin durch Rechtsanwalt K. verteidigt zu werden, übermittelt hatte, wurde durch Entscheidung des Vorsitzenden vom 19. April 2021, die Bestellung von Rechtsanwalt K., L., aufgehoben und dem Angeklagten Rechtsanwalt S. aus H., der zuvor auf Anfrage erklärt hatte, er habe die notwendigen Kapazitäten, sich in den Verfahrensstoff bis Anfang Juni 2021 einzuarbeiten, so dass die von der Strafkammer avisierten Hauptverhandlungstermine in der Zeit vom 1. Juni bis zum 21. Juli 2021 durchgeführt werden könnten, als Pflichtverteidiger bestellt.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Angeklagte mit dem Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.

1.) Die sofortige Beschwerde ist gem. § 143a Abs. 4 StPO statthaft, fristgerecht erhoben und zulässig.

Der Umstand, dass auf dem fristgerecht eingegangenen Schriftsatz ein falsches Aktenzeichen angegeben ist, ist ohne Bedeutung, da der angefochtene Beschluss in dem Schriftsatz, mit dem das Rechtsmittel erhoben wurde, eindeutig bezeichnet ist und die sofortige Beschwerde beim richtigen Gericht eingegangen ist (vgl. hierzu: BGH, Beschluss vom 02. Oktober 2008 - 3 StR 415/08 -, juris).

Zwar hat der Verteidiger die Beschwerde nach ihrem Wortlaut im eigenen Namen eingelegt. Zudem steht einem Pflichtverteidiger gegen die Aufhebung seiner Bestellung kein eigenes Beschwerderecht zu (vgl. BGH, Beschluss vom 18. August 2020 - StB 25/20 -, BGHSt 65, 106-110). Aufgrund des mehrfach und unmissverständlich zum Ausdruck gebrachten Willens des Angeklagten, weiterhin von seinem Pflichtverteidiger Rechtsanwalt K. verteidigt zu werden, ist indes nach den Gesamtumständen davon auszugehen, dass die sofortige Beschwerde namens und in Vollmacht für den Angeklagten erhoben wurde.

2.) In der Sache bleibt dem Rechtsmittel ein Erfolg indessen versagt.

Gem. § 143a Abs. 2 Nr. 3 ist die Bestellung des Pflichtverteidigers aufzuheben und ein neuer Pflichtverteidiger z...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge