Entscheidungsstichwort (Thema)

Zustellung im Wege der Rechtshilfe

 

Leitsatz (amtlich)

Zustellung einer auf "treble damages" gerichteten US-amerikanischen Sammelklage im Wege der Rechtshilfe.

 

Normenkette

HZÜ Art. 1, 13

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 04.09.2008; Aktenzeichen 2 BvR 1739/06, 2 BvR 1811/06)

 

Tenor

Die Anträge werden auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.

Geschäftswert: 500.000 EUR.

 

Gründe

I. Verschiedene Kläger, darunter E.C., haben vor dem Gericht in San Francisco (Superior Court) u.a. gegen die Antragstellerin eine unbezifferte Sammelklage nach US-amerikanischem Recht eingereicht, deren Zustellung in Deutschland bewirkt werden soll.

Gegenstand der Klage ist der Vorwurf, die Antragstellerin und andere Kartellmitglieder hätten für den Absatz von Kupferrohren in C. unzulässige Preisabsprachen getroffen und dadurch die Kläger und andere in ähnlicher Situation geschädigt. Sie beantragen deshalb u.a. Schadensersatz in unbezifferter Höhe, wobei der Schadensersatz verdreifacht werden soll (treble damages), Zinsen sowie Erstattung der Verfahrenskosten und angemessener Anwaltsgebühren.

Der Antragsgegner hat das Zustellungsersuchen nach Art. 13 HZÜ mit Schreiben vom 2.5.2005 bewilligt (Anlage 3), allerdings das AG Osnabrück bisher nicht angewiesen, die Zustellung zu veranlassen, weil die Antragstellerin dagegen am 3.6.2005 (und damit rechtzeitig) Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 23 ff. EGGVG beim Senat gestellt hat.

Die Antragstellerin macht geltend, die Zustellung verstoße gegen Art. 13 HZÜ; sie sehe sich hierdurch einer möglichen Schadensersatzforderung und weiteren Verfahrenskosten ausgesetzt, die ihre Gesamtumsätze in den USA um ein Vielfaches überstiegen und für sie existenzbedrohend seien.

Sie ist der Auffassung, das mit der US-amerikanischen Sammelklage verfolgte Ziel entbehre einer substanziellen Grundlage; es solle auf sie als Beklagte in dem beabsichtigten Verfahren wirtschaftlicher Druck ausgeübt werden - auch durch die im amerikanischen Recht vorgesehene Verdreifachung des Schadensersatzes (treble damages). Hierdurch solle Vergleichsbereitschaft erzwungen werden.

Bereits durch die Zustellung der Klage sehe sie sich exorbitanten Verfahrenskosten ausgesetzt, auch durch das sog. Ausforschungsbeweisverfahren (pre-trial discovery). Selbst bei einer Klagabweisung habe sie als Beklagte nach der sog. American Rule die eigenen Kosten der Rechtsverteidigung zu tragen. Schon die Zustellung verletze daher das Rechtsstaatsprinzip und Grundrechte der Antragstellerin aus Art. 2 GG; sie sei daher geeignet, die Hoheitsrechte oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden. Die Erledigung der Zustellung sei nach Art. 13 Abs. 1 HZÜ abzulehnen.

Die Antragstellerin hat ursprünglich auch beantragt, die Zustellung bis zu einer Entscheidung des BVerfG in der Sache 2 BvR 1198/03 auszusetzen, weil in jenem Verfahren Umfang und Grenzen des Art. 13 HZÜ verfassungsrechtlich zu klären seien. Jenem Verfahren lag eine Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des OLG Düsseldorf v. 11.7.2003 (I-3 VA 6/03) zugrunde, in dem es um die Zustellung einer US-amerikanischen Sammelklage mit einer Schadensersatzsumme von 17 Mrd. US-Dollar ging.

Der Senat hat mit Beschluss vom 6.9.2005 das hiesige Hauptsacheverfahren bis zu einer Entscheidung des BVerfG (das mehrfach seine einstweilige Anordnung um jeweils weitere sechs Monate verlängert hat) ausgesetzt. Eine Entscheidung des BVerfG zur Hauptsache ist nach Rücknahme der Verfassungsbeschwerde nicht (mehr) ergangen, sodass der Aussetzungsgrund Ende 2005 weggefallen ist.

Mittlerweile hat das OLG Koblenz (IPRax 2006, 25 ff.) ein bei ihm anhängiges Zustelungsverfahren dem BGH (Az. IV AR (VZ) 3/05) zur Entscheidung vorgelegt, weil es beabsichtigt, von der Rechtsprechung anderer OLG abzuweichen. Es hält die im dortigen Verfahren auf einen Kartellrechtsverstoß gestützte Sammelklage nach US-amerikanischem Recht mit der Verpflichtung zur Zahlung von Strafschadensersatz (treble damages) nicht für eine Zivil- oder Handelssache i.S.v. Art. 1 HZÜ. Weiter hält es hilfsweise die Anordnung der Klagezustellung wegen des Souveränitätsvorbehalts nach Art. 13 Abs. 1 HZÜ für unzulässig.

Die Antragstellerin macht sich die Erwägungen des OLG Koblenz zueigen.

Die Antragstellerin beantragt nunmehr noch,

1. die Bewilligung der Zustellung der in dem Zustellungsantrag der Firma A. vom 4.3.2005 genannten Schriftstücke an die Antragstellerin durch den Antragsgegner vom 2.5.2005 aufzuheben,

2. dem Antragsgegner zu untersagen, das AG Osnabrück anzuweisen, die Zustellung zu veranlassen,

3. den Antragsgegner anzuweisen, die Erledigung des Zustellungsantrags der Firma A. vom 4.3.2005 abzulehnen,

4. das Hauptsacheverfahren und die Vollziehung der Bewilligung der Zustellung der in dem Zustellungsantrag der Firma A. vom 4.3.2005 genannten Schriftstücke an die Antragstellering durch den Antragsgegner vom 2.5.2005 bis zur Entscheidung des BGH in dem Verfahren IV AR (VZ) 3/05 auszusetzen.

Der Antragsgegner bean...

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