Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichteinhaltung der Wartezeit zwischen Trinkende und erster Messung bei Verwendung von Dräger Alcotest 7110
Leitsatz (amtlich)
Wird bei einer Atemalkoholmessung mit dem Messgerät "Dräger Alcotest 7110" die Wartezeit zwischen Trinkende und erster Messung nicht eingehalten, liegt eine Messung im standardisierten Verfahren nicht vor, ohne dass damit eine Verwertbarkeit der Messung von vornherein ausscheidet.
Normenkette
StVG § 24a
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts Springe zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeugs unter Alkoholeinfluss zu einer Geldbuße von 500 Euro verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat verhängt.
Nach den Feststellungen befuhr der Betroffene am 14. August 2018 gegen 23.20 Uhr mit einem PKW die G. Straße, die M.straße und die Straße I. d. D., obwohl er erkennen konnte, dass er in Folge vorangegangenen Alkoholkonsums eine Alkoholmenge im Körper hatte, die das im Straßenverkehr zulässige Maß von 0,25 mg/l überschritt. Er wurde spätestens um 23:24 Uhr durch Polizeibeamte angehalten und kontrolliert. Zwei Atemalkoholmessungen, durchgeführt um 23.38 Uhr und 23.40 Uhr, ergaben Konzentrationen von 0,313 mg/l und von 0,316 mg/l.
Der Betroffene hat sich dahin eingelassen, dass er noch während der Verfolgung durch die Polizei, nämlich gegen 23:24 Uhr, zuletzt Alkohol konsumiert habe. An seiner ursprünglichen Einlassung, der erhöhte Wert der Atemalkoholmessung müsse auf die Einnahme von Medikamenten gegen Diabetes zurückzuführen sein, halte er ausdrücklich nicht mehr fest.
Dies stellt nach Auffassung des Amtsgerichts die Richtigkeit der Messergebnisse nicht in Frage. Zwar sei nicht feststellbar, ob die Wartezeit von 20 Minuten seit Trinkende eingehalten wurde. Eine Nichteinhaltung der Wartezeit schließe nach der obergerichtlichen Rechtsprechung die Verwertung der im konkreten Fall erzielten Messergebnisse ohne Sicherheitsabschlag jedoch nicht aus.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde. Er beanstandet das Verfahren und die Verletzung sachlichen Rechts. Insbesondere macht er geltend, dass die Messergebnisse mangels Belehrung des Betroffenen über die Freiwilligkeit der Atemalkoholmessung und wegen Nichteinhaltung der Wartezeit nicht verwertbar seien.
II.
Das Rechtsmittel hat (zumindest vorläufig) Erfolg. Das angefochtene Urteil hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
1. Die Generalstaatsanwaltschaft hat dazu in ihrer Stellungnahme ausgeführt:
"Die Atemalkoholkonzentration von 0,31 mg/l ist nicht fehlerfrei festgestellt worden.
Die Auffassung des Amtsgerichts, die hier ausdrücklich nicht festgestellte Einhaltung der Wartezeit zwischen Trinkende und erster Messung sei ohne Bedeutung, wenn sich im Einzelfall eine Fehlmessung mit dem Messgerät "Dräger Alcotest 7110 Evidential" ausschließen lasse, ist in dieser Allgemeinheit nicht tragfähig, abgesehen davon dass ein solcher Ausschluss im vorliegenden Fall nicht ausreichend begründet worden ist. Die Tatrichterin kann sich für die von ihr vertretene Auffassung zwar auf den Beschluss des hiesigen 2. Senats für Bußgeldsachen vom 26.09.2003 - 222 Ss 59/03 - stützen. Dieser vermag jedoch jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zu überzeugen. In der obergerichtlichen Rechtsprechung und Literatur hat er nur vereinzelt Zustimmung gefunden. Überwiegend wird die seinerzeit vertretene Auffassung abgelehnt (s. zum Meinungsstand König in Henschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl., § 24a StVG Rdn. 16a; Hühnermann in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 25. Aufl., § 24a StVG Rdn. 4c jew. m.w.N.). Entscheidend ist dabei folgendes: das Sachverständigengutachten, auf das sich der 2. Senat für Bußgeldsachen in seiner Entscheidung maßgeblich gestützt hat und dass in der hier angefochtenen Entscheidung mit seinen wesentlichen Aussagen zutreffend wiedergegeben worden ist, ist von dem Sachverständigen S. selbst später relativiert worden. Danach hält auch er die Einhaltung der Wartezeit im Regelfall für erforderlich. So sollen Benachteiligungen des Betroffenen in der Anflutungsphase (auch gegenüber einer Blutalkoholbestimmung) vermieden werden (s. a. Hentschel, NJW 2005, 641, 645).
Damit ist bei Nichteinhaltung der Wartezeit von einer wesentlichen Abweichung von der für eine ordnungsgemäße Durchführung der Messung vorgesehenen Verfahrensweise auszugehen. Eine Messung im standardisierten Verfahren liegt nicht mehr vor.
Dies bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass das Messergebnis unverwertbar wäre. Wie bei anderen standardisierten, aber fehlerhaft durchgeführten Verfahren auch, etwa zur Geschwindigkeitsmessung, kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an, insbesondere auch auf Art, Ausmaß und Auswirkung des Fehlers.
Hier kommt die Unverwertbarkeit...