Leitsatz (amtlich)
Zur Angemessenheit der Gutachtenergänzungsfrist in einem Bauprozeß
Normenkette
ZPO § 411 Abs. 4
Verfahrensgang
LG Hannover (Beschluss vom 26.11.1999; Aktenzeichen 19 OH 184/95) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners wird auf seine Kosten nach einem Gegenstandswert von 10.000 DM zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Die Antragsteller haben mit Antrag vom 11. Mai 1995 das selbstständige Beweisverfahren eingeleitet. In ihm sind Gutachten des Sachverständigen … vom 31. Juli 1996 und des Sachverständigen … vom 16. Januar 1998 mit einem Ergänzungsgutachten vom 14. Dezember 1998 eingeholt worden. Dieses Ergänzungsgutachten ist dem Antragsgegner am 29.Dezember 1998 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 12. Oktober 1999 hat er beantragt, den Sachverständigen … mit einer Ergänzung und Erläuterung seines Gutachtens zu beauftragen. Dieser Antrag ist mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen worden, weil er nicht „in angemessener Zeit” nach dem Erhalt des Gutachtens gestellt worden sei. Hiergegen wendet sich das Rechtsmittel.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere für den Antragsgegner eingelegt worden. Zwar ist in dem Schriftsatz vom 22. Dezember 1999 im „Kurzrubrum” die … GmbH aufgeführt worden, die nicht Antragsgegnerin dieses Verfahrens ist. Die in dem Verfahren bereits zuvor für den Antragsgegner tätig gewordenen Rechtsanwälte haben aber „namens und in Vollmacht des Antragsgegners” Beschwerde eingelegt, sodass eindeutig ersichtlich ist, dass sie auch dieses Rechtsmittel für diesen einlegen wollten. Die Bezeichnung im Kurzrubrum ist ein offensichtliches Schreibversehen.
2. Die Beschwerde ist in der Sache aber nicht begründet.
a) Zu Recht hält das Landgericht entgegen der Rechtsauffassung des Antragsgegners § 411 Abs. 4 ZPO auch im selbstständigen Beweisverfahren für anwendbar. § 492 Abs. 1 ZPO verweist auf die für das betreffende Beweismittel geltenden allgemeinen Vorschriften, sodass damit auch § 411 Abs. 4 ZPO in Bezug genommen wird.
b) Gemäß § 411 Abs. 4 ZPO ist der Antrag auf Gutachtenergänzung bzw. Anhörung des Sachverständigen innerhalb eines angemessenen Zeitraums zu stellen; anderenfalls ist im selbstständigen Beweisverfahren davon auszugehen, dass dieses beendet ist. Die Angemessenheit des Zeitraums richtet sich dabei nach den schutzwürdigen Interessen der Parteien und den verfahrensrechtlichen Erfordernissen, ist somit eine Frage der Einzelabwägung (vgl. m. w. N. OLG Köln, NJWRR 1998, 210).
Im vor liegenden Fall ist die Bewertung des Landgerichts nicht zu beanstanden, dass hier der Antrag vom 12. Oktober 1999 nach Zustellung des Gutachtens auf den 29. Dezember 1998 nicht fristgerecht ist:
Die aufgeworfenen weiteren Fragestellungen ergeben sich unmittelbar aus dem Ergänzungsgutachten des Sachverständigen … und hätten damit unmittelbar nach Eingang des Gutachtens gestellt werden können. Trotz des besonders lang dauernden Verfahrens (seit 1995) und der umfangreichen Mängelliste wäre eine deutlich kürzere Prüfung des Sachstandes und Auswertung der Gutachten auch in ihrer Gesamtschau durch den fachkundigen Antragsgegner (den Bauunternehmer) möglich und zumutbar gewesen.
Der Antragsgegner begründet sein zögerliches Verhalten letztlich auch nur damit, dass auch nach Auffassung der Antragsteller Lücken im Gutachten vorlagen sodass sie – auch einer Anregung des Sachverständigen folgend – ein Privatgutachten eingeholt haben, um einen umfassenden Sanierungsplan auf der Basis der festgestellten Mängel erarbeiten zu lassen. Dieses von den Antragstellern veranlasste Parteigutachten datiert vom 3. September 1999 und ist dem Antragsgegner mit Schreiben vom 28. September 1999 übersandt worden. Allerdings trägt der Antragsgegner nicht vor, dass er von der Heranziehung dieses Gutachters unterrichtet war und nur im Hinblick darauf die weitere Sachaufklärung im selbstständigen Beweisverfahren zurückgestellt hat. Eine entsprechende „Einigung” der Parteien, das selbstständige Beweisverfahren bis zur Vorlage des Gutachtens des Privatsachverständigen ruhen zu lassen, ist also – nach dem Sachvortrag der Parteien – nicht zu ersehen. Unter diesen Umständen ist nicht festzustellen, dass das Landgericht in dem angefochtenen Beschluss ermessensfehlerhaft die Antragsfrist des § 411 Abs. 4 ZPO falsch bemessen hätte. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner mit eventuellen Einwendungen gegen die Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen nicht ausgeschlossen ist, sondern diese gegebenenfalls im Hauptsacheverfahren nachholen kann.
Nach alledem musste das Rechtsmittel mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückgewiesen werden.
Den Wert des Beschwerdegegenstandes bemisst der Senat auf 25 % des festgesetzten Wertes des selbstständigen Beweisverfahrens (40.000 DM gemäß Beschluss vom 26. August 1996).
Fundstellen
Haufe-Index 1511223 |
BauR 2001, 459 |
NJW-RR 2001, 142 |
NZBau 2001, 331 |
OLGR-CBO 2000, 258 |