Entscheidungsstichwort (Thema)
Herausgabe und Entschlüsselung von Rohmessdaten im standardisierten Messverfahren
Leitsatz (amtlich)
Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze für die Anforderungen an eine Verfahrensrüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs bei beantragter Einsichtnahme in die Bedienungsanleitung eines Messgerätes sind auf die Herausgabe von Rohmessdaten zu übertragen.
Danach muss sich der Betroffene bis zum Ablauf der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist um die Herausgabe und Entschlüsselung der Rohmessdaten, ggf. nach Erwerb eines Entschlüsselungsprogramms, bemühen.
Normenkette
StPO §§ 147, 344 Abs. 2; GG Art. 103 Abs. 1
Tenor
Der Zulassungsantrag wird verworfen. Der Betroffene hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Der Landkreis C. hat mit Bußgeldbescheid vom 26.05.2015 gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ein Bußgeld in Höhe von 80 € festgesetzt. Mit dem angefochtenen Urteil hat das Amtsgericht den Einspruch des Betroffenen gegen diesen Bußgeldbescheid verworfen, da der Betroffene trotz ordnungsgemäßer Ladung der Hauptverhandlung ohne Entschuldigung ferngeblieben sei.
Gegen dieses Urteil wendet der Betroffene sich mit seinem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, mit der er einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör rügt und beantragt, das Urteil zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu überprüfen. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs wird damit begründet, dass die Verteidigung unter dem 03.11.2015 die Überlassung der Rohmessdaten in unverschlüsselter Form beantragt hatte, um diese gegebenenfalls sachverständig überprüfen zu lassen. Die Bußgeldbehörde habe daraufhin eine nicht zu öffnende Datei übersandt und zum Öffnen auf das "Speed-Check-Programm" des Herstellers L. verwiesen. Unter Hinweis darauf, dass auf der Homepage des Herstellers kein Link zum Download des genannten Programms aufgefunden werden konnte, habe die Verteidigung mit Schriftsatz vom 10.11.2015 nochmals Terminsverlegung beantragt. Für eine ordnungsgemäße Verteidigung sei eine Überprüfung der Rohmessdaten erforderlich und die Verwaltungsbehörde habe diese dem Betroffenen auf sein Verlangen hin zur Verfügung zu stellen. Am 11.11.2015 habe das Gericht daraufhin mitgeteilt, dass der Prozessbeteiligte auf eine Terminsverlegung keinen Anspruch habe und diese nicht in Betracht komme, da der Landkreis bereits am 05.11.2015 auf das zum Öffnen der verschlüsselten Datei erforderliche Speed-Check-Programm hingewiesen habe und eine Download-Möglichkeit nicht bestehe, weil das Programm käuflich erworben werden müsse. Damit habe das Amtsgericht den Anspruch der Verteidigung auf vollständige Akteneinsicht verletzt. Außerdem liege ein Ermessensfehlgebrauch vor, da eine Verfahrensbeschleunigung nicht erforderlich gewesen sei.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde zu verwerfen, da der Terminsverlegungsantrag ohne Rechtsfehler abgelehnt worden sei. Das Beharren des Verteidigers darauf, dass ihm die Messdaten unverschlüsselt zur Verfügung gestellt werden müssten, entschuldige das Fernbleiben des Betroffenen in der Hauptverhandlung nicht.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 OWiG bleibt ohne Erfolg.
1. Eine Zulassung wegen der Anwendung von Rechtsnormen über das Verfahren oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung kommt bei einer Geldbuße von nicht mehr als 100 € - wie hier - von vornherein nicht in Betracht, vgl. § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG. Auch mit möglichen Fehlern nach der Urteilsverkündung im Hinblick auf eine zu Unrecht erteilte Rechtskraftbescheinigung kann der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht begründet werden.
2. Soweit der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde auf eine Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs gestützt wird, erweist sich diese Rüge bereits als unzulässig. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs ist in Form einer ordnungsgemäß erhobenen Verfahrensrüge geltend zu machen (vgl. dazu KK-Senge, OWiG, 4. Aufl., § 80 Rdnr. 42; Göhler-Seitz, OWiG, 16. Aufl., § 80 Rdnr. 16 d). Nach § 79 Abs. 3 OWiG, § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO muss bei einer Verfahrensrüge der Tatsachenvortrag so vollständig sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein aufgrund der Begründungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn das tatsächliche Vorbringen des Betroffenen zutrifft.
Dies ist hier nicht der Fall. Bei einer Verletzung des rechtlichen Gehörs muss nämlich im Rahmen der Verfahrensrüge grundsätzlich dargelegt werden, was der Betroffene im Fall seiner Anhörung geltend gemacht hätte (vgl. dazu OLG Hamm VRR 2013, 79; OLG Celle DAR 2013, 283; Göhler, a. a. O., Rdnr. 16 c; KK-Senge, a. a. O., Rdnr. 40 c). Dies hat zur Folge, dass dann, wenn der Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs mit der Versagung von Akteneinsicht begründet werden soll, der Betroffene sich auch noch nach Abschluss seines Verfahrens und bis zum Ablauf der Rechtsbeschw...