Normenkette

ZPO § 115

 

Verfahrensgang

LG Lüneburg (Aktenzeichen 5 O 93/02)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird insoweit aufgehoben, als der Klägerin Prozesskostenhilfe ohne aus dem Vermögen zu zahlende Beträge bewilligt wurde.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet.

1. Die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde ergibt sich aus § 127 Abs. 3 S. 1 und 2 ZPO. Hiernach findet gegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe die sofortige Beschwerde der Staatskasse statt, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind. Die Beschwerde kann hierbei nur darauf gestützt werden, dass die Partei nach ihren persönlichen und wirtschaften Verhältnissen Zahlungen zu leisten hat. So liegt es hier.

Die einmonatige Frist für die Einlegung der sofortigen Beschwerde gem. § 127 Abs. 3 S. 3 i.V.m. § 569 Abs. 1 S. 1 ZPO ist gewahrt. Sie beginnt mit der Bekanntgabe des Beschlusses. Die Entscheidung wird der Staatskasse nicht von Amts wegen mitgeteilt (§ 127 Abs. 3 S. 6 ZPO). Ausweislich der Mitteilung des Bezirksrevisors beim LG Lüneburg vom 18.10.2002 ist die Akte am 12.9.2002 im Rahmen einer Zufallsauswahl abgefordert worden (Bl. 43 PKH-Heft). An diesem Tag wurde auch die sofortige Beschwerde erhoben (Bl. 26 f. PKH-Heft), die am selben Tag dem Einzelrichter der 5. Zivilkammer vorgelegt wurde (Bl. 27 R PKH-Heft).

2. Die sofortige Beschwerde ist auch begründet.

Der Antragstellerin durfte nicht Prozesskostenhilfe ohne Einsatz von aus ihrem Vermögen zu zahlenden Beträgen bewilligt werden. Gemäß § 115 Abs. 2 ZPO hat die Partei ihr Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist. § 88 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) gilt entspr. Hiernach gehört zum Vermögen das gesamte verwertbare Vermögen des Bedürftigen (§ 88 Abs. 1 BSHG). Es liegt auch keiner der Ausnahmetatbestände des § 88 Abs. 2 BSHG (sog. Schonvermögen) vor. Nach § 88 Abs. 2 Nr. 7 S. 1 BSHG darf die Sozialhilfe – und damit hier entspr. die Bewilligung von Prozesskostenhilfe – nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz oder von der Verwertung eines angemessenen Hausgrundstücks, das vom Hilfsbedürftigen allein oder zusammen mit Angehörigen ganz oder teilweise bewohnt wird.

Hieraus folgt, dass zum Schonvermögen nur ein – zumindest auch – selbst genutztes Objekt zählt (BGH FuR 2001, 138; OLG Köln OLGReport Köln 1994, 91; OLG Hamm, Beschl. v. 28.5.1984 – 3 WF 125/84, Rpfleger 1984,432; Musielak/Fischer, 3. Aufl., § 115 ZPO Rz. 46; Zöller/Philippi, 23. Aufl., § 115 ZPO Rz. 53). Diese Voraussetzung liegt nicht vor. Die Antragstellerin bewohnt ein selbstgenutztes Hausgrundstück in X., während das Hausgrundstück … in Y., an dem der Klägerin ein hälftiger Miteigentumsanteil zusteht, von ihrer Tochter und deren Kindern bewohnt wird. Die Antragstellerin hat deshalb zur Aufbringung der Prozesskosten auch ihren Miteigentumsanteil an dem Hausgrundstück einzusetzen, da dieses nicht zumindest auch von ihr bewohnt wird (zu einer ähnlichen Fallkonstellation vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 28.5.1984 – 3 WF 125/84, Rpfleger 1984, 432).

Ob eine erweiternde Auslegung des § 88 Abs. 2 Nr. 7 S. 1 BSHG dahin möglich ist, dass der Einsatz von Immobilienvermögen auch dann nicht zumutbar ist, wenn dieses alleine von Angehörigen bewohnt wird, erscheint bereits aufgrund des eindeutigen Wortlauts zweifelhaft (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 28.5.1984 – 3 WF 125/84, Rpfleger 1984, 432). Jedenfalls würde dies in jedem Fall eine sog. Bedarfsgemeinschaft zwischen dem Antragsteller und den im Hause lebenden Angehörigen voraussetzen. Dies ist hier indessen nicht der Fall, da die Antragstellerin räumlich weit entfernt von ihrer Tochter und deren Kindern wohnt und auch nicht ersichtlich ist, dass die Antragstellerin Unterhaltszahlungen an ihre Tochter leistet.

Unerheblich ist es demgegenüber, ob und inwieweit die Tochter der Antragstellerin, die das Objekt Y. mietfrei bewohnt, ihrerseits Sozialhilfe bezieht und bei einer Verpflichtung zur Mietzinszahlung ggü. der Antragstellerin einen entspr. Anspruch auf Wohngeld hätte. Maßgebend nach § 115 ZPO i.V.m. § 88 BSHG ist alleine, inwieweit dem Antragsteller selbst der Einsatz seines Vermögens zumutbar ist oder nicht. Demgegenüber kommt es nicht darauf an, inwieweit der Einsatz dieses Vermögens ggf. für Angehörige des Antragstellers zumutbar ist oder nicht. Abgesehen davon richtet sich der Anspruch auf Prozesskostenhilfe der Antragstellerin einerseits sowie ein möglicher Wohngeld- bzw. Sozialhilfeanspruch ihrer Tochter andererseits gegen unterschiedliche Leistungsträger, nämlich im ersten Fall gegen das Land A. und im zweiten Fall gegen die Stadt B.

Im weiteren Verfahren wird zu klären sein, welchen Mietwert der Miteigentumsanteil an dem Grundstück … in … hat und inwieweit es für die Antragstellerin möglich und zumutbar ist, diesen zum Bestreiten der Prozesskosten einzusetzen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1104051

MDR 2003, 356

ZFE 2003, 57

KammerForum 2003, 163

OLGR-CBO 2002, 322

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