Leitsatz (amtlich)
Die Beiordnung eines Verteidigers nach § 408 b StPO gilt auch für die auf den Einspruch folgende Hauptverhandlung.
Normenkette
StPO § 408b; RVG VV Nr. 4108
Verfahrensgang
LG Lüneburg (Entscheidung vom 26.10.2010) |
Tenor
Die weitere Beschwerde des Bezirksrevisors bei dem Landgericht Lüneburg gegen den Beschluss der 6. großen Strafkammer des Landgerichts Lüneburg vom 26. Oktober 2010 wird verworfen.
Die Entscheidung ergeht gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Das Amtsgericht Uelzen erließ gegen die damalige Angeklagte und inzwischen rechtskräftig verurteilte Frau L. am 18.02.2010 einen Strafbefehl wegen Urkundenfälschung und verhängte gegen sie eine Freiheitsstrafe von sieben Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Zuvor hatte das Amtsgericht am 08.01.2010 der Angeklagten Rechtsanwalt K. gemäß § 408 b StPO als Verteidiger bestellt, eine die Reichweite der Bestellung einschränkende Formulierung enthält der Bestellungsbeschluss nicht. Auf den Einspruch gegen diesen Strafbefehl beraumte das Amtsgericht Hauptverhandlung auf den 22.03.2010 an, in der der Einspruch zurückgenommen wurde.
Mit Antrag vom 23.03.2010 beantragte der Pflichtverteidiger die Festsetzung u. a. einer Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG, einer Verfahrensgebühr nach Nr. 4106 VV RVG sowie einer Terminsgebühr nach Nr. 4108 VV RVG. Das Amtsgericht setzte die geltend gemachten Gebühren antragsgemäß fest. Hiergegen legte der Bezirksrevisor Erinnerung ein, mit der er sich gegen die Festsetzung einer Terminsgebühr nach Nr. 4108 VV RVG wandte. Eine solche sei nicht entstanden, weil die Beiordnung des Verteidigers nach § 408 b StPO nicht die Tätigkeit in der Hauptverhandlung nach einem Einspruch gegen den Strafbefehl umfasse. Die Rechtspflegerin hat der Erinnerung nicht abgeholfen und die Sache der Abteilungsrichterin des Amtsgerichts zur Entscheidung vorgelegt. Mit Beschluss vom 09.09.2010 wies das Amtsgericht die Erinnerung des Bezirksrevisors zurück. Das Landgericht Lüneburg verwarf nachdem zuvor der Einzelrichter das Verfahren wegen grundsätzlicher Bedeutung auf die Strafkammer übertragen hatte mit Beschluss vom 26.10.2010 die gegen die Entscheidung des Amtsgerichts von dem Bezirksrevisor eingelegte Beschwerde, ließ jedoch die weitere Beschwerde gegen die landgerichtliche Entscheidung zu.
Mit seiner weiteren Beschwerde vertritt der Bezirksrevisor die Rechtsauffassung, die Beiordnung eines Verteidigers nach § 408 b StPO umfasse nicht die Tätigkeit des Verteidigers in einer auf den Einspruch gegen den Strafbefehl folgenden Hauptverhandlung, sodass für die Teilnahme von Rechtsanwalt K. in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Uelzen die festgesetzte Terminsgebühr aus Nr. 4108 VV RVG nicht entstanden sei.
II. Die weitere Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Die vom Landgericht zugelassene weitere Beschwerde ist nach §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 6 RVG statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Nachdem der Einzelrichter des Landgerichts das Verfahren gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 8 Satz 2 RVG auf die Strafkammer übertragen hatte und diese entschieden hat, ist zur Entscheidung über das Rechtsmittel des Bezirksrevisors der Senat in voller Besetzung berufen.
2. Die weitere Beschwerde hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Dem nach § 408 b StPO beigeordneten Verteidiger steht für seine Teilnahme in der auf den Einspruch gegen den Strafbefehl anberaumten Hauptverhandlung die festgesetzte Terminsgebühr aus Nr. 4108 VV RVG zu.
Die hier entscheidende Frage, wie weit die Pflichtverteidigerbestellung nach § 408 b StPO reicht, ist in Literatur und Rechtsprechung umstritten.
a) Nach Auffassung des Amtsgerichts Höxter (StV 1995, 519) soll die Verteidigerbestellung nach § 408 b StPO bis zur Entscheidung über den Erlass oder Nichterlass des beantragten Strafbefehls zu befristen sein, weil der Angeklagte im Strafbefehlsverfahren nicht besser gestellt werden solle, als derjenige Angeklagte, der ebenfalls eine Freiheitsstrafe zu erwarten hat, aber angeklagt wird und bei dem sich die Verteidigerbestellung nach den strengeren Maßstäben des § 140 StPO richtet. Eine solche Befristung der Reichweite der Pflichtverteidigerbestellung liegt jedoch hier weder ausdrücklich noch konkludent vor.
b) Nach einer weiteren Auffassung soll die Beiordnung auch ohne Befristung jedenfalls nicht für das weitere Verfahren nach Einspruchseinlegung, also nicht für die auf den Einspruch folgende Hauptverhandlung gelten, jedoch noch für die Einlegung des Einspruchs gegen den Strafbefehl. Dies folge aus der gebotenen einschränkenden Auslegung des § 408 b StPO, der nicht auf die Vorschriften über die Pflichtverteidigerbeiordnung insgesamt, sondern nur auf § 141 Abs. 3 StPO verweise, welcher die Bestellung des Verteidigers während des Vorverfahrens betrifft. Diese einschränkende Auslegung trage dem Willen des Gesetzgebers Rechnung, der § 408 b StPO für die besondere prozessuale Situation der Verhängung einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr mit...