Leitsatz (amtlich)

Auch an einem zunächst für einen dauerhaften Zweck errichteten Gebäude (hier: Backhaus) kann später, wenn nach Verpachtung des Grundstücks und einem Umbau in ein Wochenendhaus ein berechtigtes Interesse an nunmehr vorübergehenden Nutzung besteht, Sondereigentum als Scheinbestandteil i.S.v. § 95 BGB neu begründet werden (Anschluss an BGH v. 2.12.2005 - V ZR 35/05, MDR 2006, 921 = BGHReport 2006, 413 =NJW 2006, 990).

 

Normenkette

BGB § 95

 

Verfahrensgang

LG Verden (Aller) (Urteil vom 25.01.2007; Aktenzeichen 5 O 454/06)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 25.1.2007 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer - Einzelrichter - des LG Verden wird einstimmig durch Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

 

Gründe

Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erscheint nicht erforderlich. Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Dazu hat der Senat im Hinweisbeschluss vom 3.5.2007 Folgendes ausgeführt:

"Das LG, dessen in jeder Hinsicht zutreffende Begründung sich der Senat zu eigen macht, hat der Klage mit Recht stattgegeben. Einziger Streitpunkt der Parteien ist, ob das durch privatschriftlichen Vertrag vom 29.9.2005 nebst Inventar verkaufte und auf einem Pachtgrundstück stehende Wochenendhaus ein Scheinbestandteil des Grundstücks i.S.v. § 95 BGB war und deshalb der Kaufvertrag auch ohne notarielle Beurkundung wirksam geschlossen werden konnte. Das LG hat diese Frage unter sorgfältiger und zutreffender Auswertung der dazu ergangenen Rechtsprechung und Literatur bejaht. Mit allen dagegen gerichteten Argumenten der Beklagten hat sich das LG bereits auseinandergesetzt. Die Wiederholung dieser Argumente in der Berufungsbegründung gibt daher neben dem Verweis auf die Gründe des angefochtenen Urteils lediglich Anlass zu folgenden ergänzenden Bemerkungen:

1. Auf die Frage der Fundierung des Hauses kommt es für die Beurteilung, ob ein Scheinbestandteil i.S.v. § 95 BGB vorliegt, nicht an. Entscheidend ist lediglich die Zweckrichtung, nämlich die Absicht einer vorübergehenden Verbindung. Deshalb ist seit je bei Vorliegen einer solchen Zweckrichtung, die regelmäßig bei Bauten des Mieters oder Pächters im Rahmen eines befristeten Vertrages vermutet wird (BGHZ 8, 1,5; BGH v. 4.7.1984 - VIII ZR 270/83, BGHZ 92, 70, 73 = MDR 1984, 1019; BGH v. 22.12.1995 - V ZR 334/94, MDR 1996, 678 = NJW 1996, 916 f.; Staudinger/Jickeli/Stieper, BGB, Bearb. 2004, § 95, Rz. 8), ein Scheinbestandteil auch dann angenommen worden, wenn das vom Mieter oder Pächter errichtete Bauwerk oder sonst dem Gebäude zugefügte Einrichtungen nach den Kriterien des § 94 BGB als wesentliche Bestandteile zu bewerten wären. Folgerichtig ist ja auch das Wegnahmerecht des Mieters oder Pächters nach § 539 BGB unabhängig davon, ob die Sache wesentlicher Bestandteil geworden oder als Scheinbestandteil anzusehen ist (Palandt/Weidenkaff, BGB, 66. Aufl., § 539, Rz. 9). Dementsprechend sind in der Rechtsprechung als Scheinbestandteile jede Art von Gebäuden, selbst Fabrikgebäude, Anlagen von Tankstellenbetrieben und Betonbunker angesehen worden (vgl. die Nachweise bei MüKoBGB/Holch, 5. Aufl., § 95, Rz. 14 und 15; aus jüngerer Zeit sogar Bestandteile der "Berliner Mauer", vgl. KG NJWRR 2006, 301, wobei im entschiedenen Fall die Frage der Zweckrichtung einer vorübergehenden Verbindung zweifelhaft war). Das LG hat also ohne Rechtsfehler schon zugunsten der Beklagten deren streitige Behauptung, das Wochenendhaus sei durch ein Betonfundament mit dem Erdboden verbunden, seiner Entscheidung zugrunde gelegt, ohne dass dies der Annahme eines Scheinbestandteils entgegen stünde.

2. Ebenfalls zutreffend hat das LG im Ergebnis offen gelassen, ob wesentliche Teile des Hauses, nämlich das frühere Backhaus, schon 1910 errichtet worden sind. Selbst wenn es so wäre, stünde dies der Annahme eines Scheinbestandteils nicht entgegen. Unstreitig und insb. auch in der Berufungsbegründung ausdrücklich eingeräumt haben 1961 Anbauarbeiten stattgefunden. Früher war in der Literatur umstritten, ob ein zunächst zu einem dauernden Zweck errichtetes Gebäude dadurch zu einem Scheinbestandteil werden konnte, dass es später durch eine nachträgliche Änderung der Zweckbestimmung umgewidmet worden ist. Der BGH hat zwar schon beiläufig früher die Auffassung vertreten, es seien für die Umwidmung eines bisherigen Scheinbestandteiles in einen wesentlichen Bestandteil und umgekehrt die Umwidmung eines wesentlichen und auf Dauer eingebauten Teiles in einen Scheinbestandteil dieselben Grundsätze maßgeblich, nämlich eine nach außen hervortretenden Willensbetätigung (BGHZ 37, 353, 359). Das ist z.T. bestritten worden (Staudinger/Jickeli/Stieper, a.a.O., § 95, Rz. 16). Diese Streitfrage ist aber inzwischen in der vom LG zutreffend zitierten Entscheidung des BGH vom 2.12.2005 (BGH v. 2.12.2005 - V ZR 35/05, MDR 2006, 921 = BGHReport 20...

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