Entscheidungsstichwort (Thema)

Zurechnung des Verhaltens einer anderen juristischen Person im Rahmen eines Ordnungsmittelverfahrens nach § 890 ZPO

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen einer juristischen Person im Rahmen eines Ordnungsmittelverfahrens nach § 890 ZPO das Verhalten einer anderen juristischen Person zuzurechnen ist, die als Geschäftsführer die nämliche natürliche Person hat wie sie selbst.

 

Normenkette

ZPO § 890

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Beschluss vom 25.09.2012; Aktenzeichen 25 O 38/08)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin wird der Beschluss der 5. Kammer für Handelssachen des LG Hannover vom 25.9.2012 abgeändert:

Auf den Antrag der Gläubigerin vom 23.7.2012 wird gem. § 890 Abs. 1 ZPO gegen die Schuldnerin ein Ordnungsgeld i.H.v. 50.000 EUR festgesetzt, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, jeweils für je 500 EUR einen Tag Ordnungshaft, zu vollziehen an dem Geschäftsführer der Schuldnerin.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Schuldnerin.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens sowie - insoweit in Abänderung der erstinstanzlichen Wertfestsetzung - für das erstinstanzliche Verfahren wird auf 167.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die gem. §§ 793, 890 Abs. 1, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte und auch ansonsten zulässige sofortige Beschwerde hat Erfolg.

Handelt der Schuldner der Verpflichtung zuwider, eine Handlung zu unterlassen, so ist er gem. § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO wegen einer jeden Zuwiderhandlung auf Antrag des Gläubigers zu einem Ordnungsgeld von bis zu 250.000 EUR zu verurteilen. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.

1. Die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung für die Verhängung eines Ordnungsgeldes aufgrund von Zuwiderhandlungen liegen hier vor. Insbesondere ist - wie bei Beschlussverfügungen erforderlich (vgl. Sturhahn, in Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 5. Aufl., § 890 Rz. 15) - die Zustellung des Beschlusses vom 25.3.2009 im Wege der Parteizustellung erfolgt, wie aus der Anlage AS 1 ersichtlich. Zudem ist mit Beschluss vom 21.4.2009 eine Androhung i.S.v. § 890 Abs. 2 ZPO erfolgt. Zwar ist der Akte nicht zu entnehmen, dass dieser Beschluss der Schuldnerin zugestellt worden ist (vgl. dazu z.B. Musielak/Lackmann, ZPO, 8. Aufl., § 890 Rz. 17). Indes ist dieser Zustellungsmangel vorliegend gem. § 189 ZPO geheilt worden. Dass der Beschluss ihrem Prozessbevollmächtigten tatsächlich zugegangen ist, hat die Schuldnerin in dem Schriftsatz vom 17.8.2012, mit dem auf die Antragsschrift der Gläubigerin - in der unter Ziff. 4 ausdrücklich auf den Beschluss vom 21.4.2009 abgestellt worden ist - erwidert worden ist, nicht bestritten (§ 138 Abs. 3 ZPO).

2. Entgegen der Auffassung des LG hat vorliegend auch die Schuldnerin schuldhaft gegen das Unterlassungsgebot aus dem Vergleich vom 25.3.2009 verstoßen, wobei sie vorsätzlich gehandelt hat.

Der Schuldner eines Unterlassungsgebots hat alles zu tun, was im konkreten Fall erforderlich und zumutbar ist, um künftige Verletzungen des Gebots zu verhindern. Da es sich im Rahmen des § 890 ZPO nicht um ein Verschulden im strafrechtlichen Sinne handelt, sondern um eine vorwerfbare Pflichtverletzung innerhalb des durch das Unterlassungsgebot begründeten Schuldverhältnisses, die zeigt, dass der Schuldner nicht alles ihm Mögliche veranlasst hat, um die lückenlose Beachtung des titulierten Gebotes sicherzustellen, muss der Schuldner sich auch das Verhalten Dritter zurechnen lassen, die in seinem Einflussbereich tätig sind, soweit er die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit hat, auf das Verhalten dieser Dritten Einfluss zu nehmen und soweit er nicht alle Möglichkeiten seiner Einflussnahme umfassend ausgeschöpft hat. Denn der Schuldner darf sich auch nicht als Störer, d.h. willentlich und adäquat kausal, an entsprechenden Handlungen Dritter beteiligen (vgl. z.B. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 8.6.2006 - 4 W 11/06, juris Rz. 20; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.11.2001 - 20 W 90/00, juris Rz. 4; Sturhahn in Schuschke/Walker, a.a.O., § 890 Rz. 33). Da eine Zuwiderhandlung regelmäßig in einem Verhalten des Schuldners oder seiner Mitarbeiter liegt und damit seiner Sphäre zuzuordnen ist, hat er darzulegen, welche Maßnahmen er ergriffen hat, um einen Verstoß gegen das titulierte Unterlassungsgebot zu verhindern (vgl. z.B. BGH, Beschl. v. 18.12.2008 - I ZB 32/06, juris Rz. 16).

Nach dieser Maßgabe ist das Verhalten der A. GmbH, das - isoliert für sich betrachtet - unstreitig gegen die Unterlassungsverpflichtung in dem Vergleich vom 25.3.2009 verstößt, der Schuldnerin als eigene Pflichtverletzung zuzurechnen.

Das kann allerdings noch nicht allein auf den Umstand gestützt werden, dass - unstreitig - die Schuldnerin denselben Geschäftsführer hat wie die A. GmbH. Denn das gegen eine bestimmte juristische Person ausgesprochene Unterlassungsgebot gilt nicht (allein) deshalb auch gegen eine andere juristische Person, weil beide die nämliche Person zum Geschäftsführer haben (vgl. Sturhahn, ...

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