Entscheidungsstichwort (Thema)

Beachtlicher Motivirrtum bei der Bestimmung des Geburtsnamens eines Kindes unter Rechtswahl nach Art 10 EGBGB

 

Leitsatz (amtlich)

1. Irrt der Bestimmungsberechtigte aufgrund einer unzutreffenden Rechtsauskunft des Standesamts über das nach Art 10 Abs. 3 EGBGB zur Wahl stehende Recht, kann er die getroffene Rechtswahl wegen eines ausnahmsweise beachtlichen Motivirrtums anfechten (§ 119 Abs. 2 BGB).

2. Die Anfechtung unterliegt der Frist nach § 121 BGB.

3. Wird der Geburtsname eines zweiten Kindes der Eltern unter Wahl des bei der Bestimmung des Geburtsnamens ihres ersten Kindes aufgrund des Irrtums nicht zum Zuge gekommenen Rechts (abweichend) getroffen und in das Geburtsregister eingetragen, ist den Eltern eine erneute Rechtswahl nach Art. 10 Abs. 3 EGBGB mit der Möglichkeit einer erneuten Namensbestimmung in entsprechender Anwendung des § 1617 Abs. 1, insb. S. 3 BGB eröffnet.

4. Im Nachgang einer solchen Bestimmung ist der Geburtseintrag gem. §§ 48 Abs. 1 S. 1, 49 Abs. 1 PStG mit Wirkung ex nunc zu berichtigen.

 

Normenkette

BGBEG Art. 10 Abs. 3; BGB § 119 Abs. 2, §§ 121, 1617 Abs. 1 S. 3; PStG § 48 Abs. 1 S. 1, § 49 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Hannover (Beschluss vom 26.03.2013; Aktenzeichen 85 III 164/12)

 

Tenor

I. Der Beschwerdeführerin wird unter Beiordnung von Rechtsanwalt V. in R. ratenfreie Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren bewilligt.

II. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des AG Hannover vom 26.3.2013 abgeändert.

Das Geburtenregister .../2010 des Standesamts G. ist betreffend den Familiennamen des am ... 2010 geborenen Kindes S. M. mit Wirkung für die Zukunft gemäß dem am 15.11.2012 gestellten Antrag in "L. dóttir" zu berichtigen.

III. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beläuft sich auf 3.000 EUR.

 

Gründe

I. Aus der Verbindung der Antragstellerin, die die isländische Staatsangehörigkeit besitzt, mit dem deutschen Staatsangehörigen L. D. gingen die am ... 2010 geborene Tochter S. M. und der am ... 2011 geborene Sohn E. L. hervor.

1. Vor dem Standesbeamten erklärten die Eltern am 1.4.2010 zur Bestimmung des Familiennamens für ihre Tochter gemäß Art 10 Abs. 3 i.V.m. Art 5 Abs. 1, Art 47 Abs. 2 EGBGB, § 1617 Abs. 1 BGB, 45 PStG:

"Wir wurden über die Möglichkeiten zur Bestimmung des Familiennamens unseres Kindes unterrichtet. Uns ist bekannt, dass diese Namensbestimmung unwiderruflich ist. (...) Uns ist bekannt, dass nach der Beurkundung durch den Standesbeamten grundsätzlich keine Änderungen mehr möglich sind. (...) Wir, die Eltern, bestimmen für die Namensführung des Kindes das deutsche Recht. (...) Uns ist bekannt, dass diese Bestimmung auch für unsere weiteren Kinder gilt."

In der Erklärung über die Namen eines Kindes vom gleichen Tage heißt es:

"Das Kind soll den Namen G. dóttir führen."

Dementsprechend wurde die Beurkundung im Geburtenregister ausgeführt.

Bei der Beurkundung ging die Standesbeamtin von der Rechtsansicht aus, dass die von der Mutter gewünschte isländische Namensführung nicht möglich sei, weil das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit besaß und nach deutschem Heimatrecht Vor- und Familiennamen zu führen habe. Den Familiennamen des Kindesvaters habe die Kindesmutter seinerzeit nicht erteilen wollen, weil in Island Frauennamen die Endung "-dóttir" haben. Somit habe sie das "kleinere Übel" gewählt und ihrer Tochter ihren Namen als Familiennamen gegeben.

2. Später wurde der Geburtseintrag des Sohnes E. L. entsprechend mit dem Familiennamen G. dóttir erstellt (Geburtsurkunde .../2011 Standesamt G.).

Durch Beschluss vom 4.7.2012 gab das AG Hannover dem Standesamt G. folgende Berichtigung des Geburtsregisters betreffend den Sohn der Antragstellerin auf:

"Folgebeurkundung 1. Berichtigung des Familiennamens des Kindes und der Namensführung der Mutter. Familienname Kind: L. son. Namensführung Mutter: G. G. G. dóttir (Eigenname und Kennzeichnungsname)."

In den Gründen dieser Entscheidung hat das AG ausgeführt, dass die Kindesmutter und das Standesamt der Ansicht seien, dass der Geburtseintrag des Sohnes falsch sei, weil die Rechtswahl zum isländischen Recht nach Art. 10 Abs. 3 EGBGB möglich sei, und damit nach isländischem Recht der Sohn der Antragstellerin den Familiennamen L. son erhalten könne. Die Kindesmutter habe isländisches Recht gewählt. Diese Rechtswahl sei auch nicht ausgeschlossen, da das isländische Recht Beinamen kenne, die von einer anderen Person abgeleitet werden und deshalb den familiären Zusammenhang nach außen erkennbar machen, so dass sie mit einem Familiennamen vergleichbar seien.

Der Beschluss des AG ist der Antragstellerin dieses Verfahrens am 2.8.2012 zugestellt worden und rechtskräftig seit dem 20.9.2012. Davon ist die Antragstellerin durch Verfügung des AG vom 26.9.2012 in Kenntnis gesetzt worden.

3. Im vorliegenden Verfahren, eingeleitet durch einen am 21.11.2012 eingereichten Antrag, verfolgt die Antragstellerin nunmehr die Berichtigung des Geburtseintrages ihrer Tochter dahingehend, dass diese unter Anwendung isl...

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