Entscheidungsstichwort (Thema)
§ 940a Abs. 2 ZP0 gilt nicht für Gewerberaummietverhältnisse
Leitsatz (amtlich)
Der Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Räumung von vermietetem Gewerberaum durch einen Dritten, der im Besitz der Mietsache ist, kann nicht auf eine entsprechende Anwendung von § 940a Abs. 2 ZPO gestützt werden.
Normenkette
ZPO § 940a Abs. 2
Verfahrensgang
LG Hannover (Beschluss vom 15.10.2014; Aktenzeichen 12 O 64/14) |
Tenor
Die vorab per Telefax am 7.11.2014 bei dem OLG Celle eingegangene sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom gleichen Tage gegen den am 24.10.2014 zugestellten Beschluss der 12. Zivilkammer des LG Hannover vom 15.10.2014 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Beschwerdewert: 6.000 EUR
Gründe
I. Die gem. § 567 Abs. 1 Nr. 2, 569 ZPO zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat in der Sache keinen Erfolg.
Mit Recht hat das LG angenommen, dass für die begehrte Leistungsverfügung gegenüber der Antragsgegnerin auf Räumung und Herausgabe der streitbefangenen Ladenfläche kein Verfügungsgrund besteht.
1. Das LG hat in der angefochtenen Entscheidung entgegen der Ansicht der Antragstellerin zutreffend angenommen, dass sich eine entsprechende Anwendung des § 940a Abs. 2 ZPO im Gewerberaummietrecht verbietet.
Die Antragstellerin verkennt, dass die Vorschrift des § 940a Abs. 2 ZPO, nach der eine Räumung auch gegen einen Dritten angeordnet werden kann, der im Besitz der Mietsache ist, wenn gegen den Mieter ein vollstreckbarer Räumungstitel vorliegt und der Vermieter von dem Besitzerwerb des Dritten erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung Kenntnis erlangt hat, angesichts der klaren Gesetzeslage ausschließlich auf Wohnraummietverhältnisse anwendbar ist. Insoweit kann sie die Antragstellerin weder mit Erfolg auf die vereinzelt gebliebene Entscheidung des LG Hamburg berufen, die den § 940 Abs. 2 ZPO aufgrund eines "Erst-Recht-Schlusses" auch auf die Gewerberaummiete erstrecken will, weil bei der Nachteilsabwägung ein nicht so überragendes Rechtsgut wie die grundrechtlich geschützte Wohnung betroffen sei (LG Hamburg NJW 2013, 3666), noch auf die von ihr angeführten Literaturmeinungen, die im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Mietrechtsänderungsgesetz 2013 ein praktisches Bedürfnis für eine Ausweitung des § 940 Abs. 2 ZPO auch auf einstweilige Verfügungen im Gewerberaummietrecht bejaht haben.
Ob eine analoge Anwendung der Norm rechtspolitisch sinnvoll wäre, weil die Missbrauchsfälle in der Gewerberaummiete genauso vorkommen wie in der Wohnraummiete, wie die Antragstellerin für den vorliegenden Fall geltend macht, ist unerheblich. Denn angesichts der Eindeutigkeit der gesetzlichen Regelung ist eine analoge Anwendung des § 940a Abs. 2 ZPO außerhalb von Wohnraummietverhältnissen nach der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum (vgl. KG NJW 2013, 3588; LG Köln NJW 2013, 3589; Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 940a Rz. 4; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 72. Aufl. 2014, § 940a Rz. 3; Börstinghaus, jurisPR-MietR 16/2014 Anm. 6; Neuhaus, ZMR 2013, 686, 694), der auch der Senat uneingeschränkt folgt, nicht möglich. Es fehlt nämlich bereits an der für einen Analogieschluss erforderlichen planwidrigen Regelungslücke.
Gegen eine Erstreckung des Anwendungsbereichs von 940a Abs. 2 ZPO auch auf sonstige Mieträume spricht bereits der klare Wortlaut der Norm, der ausdrücklich von der "Räumung von Wohnraum" spricht. Auch die Gesetzessystematik spricht gegen die Anwendbarkeit der Norm auf sonstige Mieträume, da der Gesetzgeber die Vorschrift im Zuge des Mietrechtsänderungsgesetzes unter der amtlichen Überschrift "Räumung von Wohnraum" angesiedelt hat.
Schließlich ergibt sich eindeutig aus den Gesetzgebungsmaterialien zum Mietrechtsänderungsgesetz 2013 (vgl. insbesondere die Begründung des Regierungsentwurfs vom 15.8.2012, BT-Drucks. 17/10485, 33 f.), dass der Gesetzgeber im Zuge der Reform auf die von ihm als abänderungbedürftig gewerteten Missstände allein bei der Wohnraummiete reagieren und eine vereinfachte Durchsetzung von Räumungstiteln gegen dem Vermieter bis dahin unbekannte mitbesitzende Untermieter, Familienmitglieder, Lebenspartner oder sonstige Personen schaffen wollte. Obwohl im Gesetzgebungsverfahren entsprechende Regelungen auch für das Gewerberaummietrecht angeregt wurden (vgl. etwa Streyl, NZM 2012, 256) und der Deutsche Mietgerichtstag e.V. in seiner Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Mietrechtsänderungsgesetzes ausdrücklich gefordert hatte, in einem § 940b ZPO die Anwendbarkeit zumindest des § 940a Abs. 2 BGB auch für Gewerberaummietverträge anzuordnen (hierzu etwa Börstinghaus juris PR-MietR 22/2013, Anm. 5), hat der der Gesetzgeber diese ihm bekannten Anregungen nicht aufgegriffen und sich damit bewusst für eine Beschränkung der Vollstreckungserleichterungen auf das Wohnraummietrecht entschieden. Daraus folgt aber zwingend, dass die Vorschrift mangels planwidri...