Leitsatz (amtlich)
Die Entscheidung des EGMR vom 17.12.2009 zwingt nicht zur Entlassung von Sicherungsverwahrten in sog. "Altfällen" nach Ablauf der 10-Jahresfrist.
Verfahrensgang
LG Lüneburg (Entscheidung vom 19.03.2010; Aktenzeichen 17b StVK 49/09) |
Tenor
Die sofortige und die einfache Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der großen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Lüneburg mit Sitz in Celle vom 19.03.2010 werden verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten der Beschwerdeverfahren zu tragen.
Gründe
I. Gegen den Untergebrachten wird die durch Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 23.04.1987 wegen schweren Raubes und wegen versuchten schweren Raubes zugleich neben der Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Jahren angeordnete Sicherungsverwahrung vollzogen. In dieses Urteil waren einbezogen worden die Strafen aus dem Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 09.10.1985, durch das der Untergebrachte wegen schweren Raubes in Tateinheit mit versuchter sexueller Nötigung und gefährlicher Körperverletzung sowie wegen schweren Raubes in Tateinheit mit sexueller Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 12 Jahren (zwei Einzelstrafen in Höhe von jeweils 8 Jahren) verurteilt worden war. Zuvor war der Untergebrachte u. a. durch Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 06.06.1978 wegen fortgesetzten schweren Raubes in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren verurteilt worden. Die Strafvollstreckung aus dieser Verurteilung war erledigt am 28.04.1983.
Das Strafende aus der Verurteilung durch das Landgericht Braunschweig vom 23.04.1987 war auf den 02.02.2000 notiert. Mit Beschluss vom 14.01.2000 hatte die Strafvollstreckungskammer beschlossen, die Sicherungsverwahrung zu vollstrecken, da eine therapeutische Aufarbeitung der begangenen Taten noch nicht stattgefunden habe und die therapeutische Behandlung der zuvor von dem Gutachter Prof. Dr. L. festgestellten tiefgreifenden Persönlichkeitsstörung des Untergebrachten allerhöchste Priorität besitze. Nach mehreren zuvor gescheiterten Versuchen, den Untergebrachten in eine Sozialtherapie zu vermitteln, bestand seit dem 01.01.2003 tatsächlich die Möglichkeit für ihn, als Sicherungsverwahrter in die sozialtherapeutische Abteilung der JVA H. aufgenommen zu werden. Dies ist von dem Untergebrachten jedoch abgelehnt worden, ebenso wie im Juli 2003. Mit Beschlüssen vom 23.01.2004 und 09.06.2006 hat die Strafvollstreckungskammer es erneut abgelehnt, die Vollstreckung der angeordneten Sicherungsverwahrung zur Bewährung auszusetzen. Zum letztgenannten Zeitpunkt bestand bereits ein Haftbefehl gegen den Verurteilten, in dem dieser verdächtigt wurde, am 07.01.1981 in B. und am 14.02.1981 in der Gemarkung G. einen Mord begangen zu haben. Der Untergebrachte war mit der Aussetzung der Sicherungsverwahrung zur Bewährung nicht einverstanden und hat sich im Hinblick auf das laufende Ermittlungsverfahren zur Anhörung auch nicht vorführen lassen. In dem Fortdauerbeschluss vom 11.06.2008 heißt es dann, dass Ansätze einer therapeutischen Aufarbeitung der Persönlichkeitsstörung nach wie vor nicht zu erkennen seien. Der Untergebrachte lehne die Teilnahme an einer stationären sozialtherapeutischen Behandlung sowie an den in der Justizvollzugsanstalt C. angebotenen gruppentherapeutischen und sozialpädagogischen Maßnahmen ab. Der Untergebrachte habe noch immer die empfohlenen Behandlungsmaßnahmen zur Verbesserung der Legalprognose nicht genutzt und keine Mitarbeitsbereitschaft erkennen lassen. An den Behandlungsangeboten zur Verbesserung der Kommunikations- und Reflexionsfähigkeit zeige der Verurteilte weiterhin kein Interesse. Die derzeit totale Verweigerungshaltung des Untergebrachten finde ihren Ausdruck auch darin, dass der Untergebrachte nicht einmal bereit sei, mit dem ihm beigeordneten Rechtsanwalt zu kommunizieren. Angesichts der durch Prof. Dr. L. in dem Gutachten vom 21.02.1997 diagnostizierten depressiv neurotischen Persönlichkeitsstruktur nebst Störung der Aggressionsverarbeitung, die bereits zu mehreren Gewaltstraftaten (in zwei Fällen verknüpft mit sexuellen Aggressionshandlungen) geführt habe, drohten bei einem Rückfall des Untergebrachten neue gewalttätige und/oder sexuelle Straftaten, durch welche den Opfern schwere seelische und körperliche Schäden entstehen könnten. Auch zum Zeitpunkt dieses Beschlusses war der Untergebrachte mit der Aussetzung der Sicherungsverwahrung zur Bewährung nicht einverstanden.
Mit Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 29.07.2009 (1 Ks 1/09 LG Braunschweig; 100 Js 15963/05 StA Braunschweig) ist der Untergebrachte wegen Mordes in zwei Fällen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt worden. Die besondere Schwere der Schuld wurde festgestellt. Das Landgericht Braunschweig hat ferner festgestellt, dass 11 Jahre der Freiheitsstrafe als vollstreckt gelten und auf die Mindestverbüßungsdauer gemäß § 57 a Abs. 1 Nr. 1 StGB anzurechnen sind. Das Landgericht Braunschweig hat ferner erneut ...