Leitsatz (amtlich)

Kosten eines Privatgutachtens gehören dann zu den gem. § 91 ZPO zu erstattenden Kosten des Rechtsstreits, wenn diese zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Im Kostenfestsetzungsverfahren bedarf es daher einer substantiierten Darlegung, dass die in Ansatz gebrachten Kosten tatsächlich entstanden sind und dass diese Kosten notwendig waren.

Hierzu ist die Einreichung einer aufgegliederten Rechnung des Sachverständigen und eine detaillierte Darlegung seiner konkreten Tätigkeit erforderlich.

 

Normenkette

ZPO §§ 91, 104

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Beschluss vom 30.05.2008; Aktenzeichen 14 O 480/04)

 

Tenor

Die am 30.6.2008 beim LG Hannover eingegangene sofortige Beschwerde der Kläger gegen den Nachfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin der 14. Zivilkammer des LG Hannover vom 30.5.2008 wird teilweise zurückgewiesen, soweit die Kläger die Festsetzung eines über den Betrag von 1.823,04 EUR nebst Zinsen hinausgehenden Betrages beantragen.

Im Übrigen wird der angefochtene Beschluss aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung über den Kostenfestsetzungsantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats an das LG Hannover zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden hat.

Der Beschwerdewert beträgt 4.004,26 EUR.

 

Gründe

Die gem. §§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2, 569 ZPO zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist zum überwiegenden Teil nicht begründet. Das Rechtsmittel hat lediglich hinsichtlich eines über den bereits festgesetzten Betrag i.H.v. 794,88 EUR hinausgehenden Teilbetrags von 1.028,16 EUR vorläufigen Erfolg.

I. Die Rechtspflegerin hat die Kosten für die Erstellung eines Sanierungskonzepts etc. durch den Dipl.-Ing. T. J. i.H.v. 7.140 EUR im Rahmen der Kostenfestsetzung zu Unrecht mit der im angefochtenen Beschluss abgegebenen Begründung nicht in Ansatz gebracht.

Zwar sind Kosten eines prozessbegleitend eingeholten Privatgutachtens grundsätzlich nicht erstattungsfähig, weil es Sache des Gerichts ist, Beweiserhebungen durch Einholung von Sachverständigengutachten durchzuführen (vgl. OLG Stuttgart, ZEV 2007, 536 ff.). Die Erstattungsfähigkeit ist aber ausnahmsweise zu bejahen, wenn ein Privatgutachten dazu dient, ein gerichtliches Sachverständigengutachten zu überprüfen, zu widerlegen oder zumindest zu erschüttern (vgl. OLG Stuttgart, a.a.O.; BAG BB 2007, 2636, zitiert nach juris, Rz. 8) oder wenn die Partei nur auf der Basis eines Privatgutachtens in der Lage ist, substantiiert und sachgerecht schriftsätzlich vortragen zu können (vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 3.4.2007 - 15 W 109/2006; BAG, a.a.O.; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 27.7.2004 - 2 W 181/2004 - 29, 2 W 181/2004). Die zuletzt genannte Fallgruppe ist einschlägig. Auf der Grundlage des gesamten unstreitigen Parteivorbringens steht fest, dass es sich vorliegend um einen umfangreichen Baurechtsstreit handelt, bei dem komplexe bautechnische bzw. bauphysikalische Fragen zu prüfen und zu beantworten waren. Erst im Verlaufe des Rechtsstreits hat sich nach dem Sachvortrag der Kläger ergeben, dass die Höhe der Sanierungskosten deutlicher höher (als ursprünglich erwartet) zu veranschlagen war bzw. möglicherweise sogar ein totaler Abriss des Hauses wegen Unmöglichkeit der Sanierung hätte erfolgen müssen. Diese Erkenntnis, welche die Kläger insbesondere aufgrund des Sanierungskonzeptes des Dipl.-Ing. J. gewonnen haben, war Anlass für eine Klageerweiterung und den Antrag auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens im Rahmens eines neuen selbständigen Beweisverfahrens. Grundlage dieses neuen Antrags war das vom Sachverständigen J. erarbeitete Sanierungskonzept, welches in vollem Umfang zum Gegenstand des klägerischen Vorbringens gemacht worden ist. Die durch die Arbeiten des Dipl.-Ing. J. bedingten Kosten waren daher als prozessbezogene (gutachterliche) Aufwendungen grundsätzlich zu berücksichtigen.

Kosten eines Privatgutachtens gehören aber nur dann zu den gem. § 91 ZPO zu erstattenden Kosten des Rechtsstreits, wenn diese zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Im Kostenfestsetzungsverfahren bedarf es daher einer substantiierten Darlegung, dass die in Ansatz gebrachten Kosten tatsächlich entstanden sind und dass diese Kosten notwendig waren (vgl. OLG Koblenz, JurBüro 1988, 1665; OLG München JurBüro 1983, 1092, 1093; OLG Nürnberg JurBüro 1975, 191; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 24. Aufl., § 104 Rz. 8). Hierzu bedarf es zunächst der Einreichung einer aufgegliederten Rechnung des Sachverständigen und einer detaillierten Darlegung seiner konkreten Tätigkeit (vgl. Hellstab/Lappe/Madert/Mathias, Die Kostenfestsetzung, 19. Aufl., Rz. B 411). Diesem Erfordernis haben die Kläger Genüge zwar getan, indem sie eine aufgegliederte Rechnung des Ingenieursbüro J. zu den Akten gegeben, die zunächst eine hinreichend detaillierte Darlegung der konkret durchgeführten Tätigkeit enthält.

Indes...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?