Verfahrensgang
AG Verden (Aller) (Beschluss vom 28.06.2016; Aktenzeichen 5 F 179/16) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird geändert.
Der Antragstellerin wird ratenlose Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt M., V., für ihre Anträge im Schriftsatz vom 9.5.2016 bewilligt.
Gründe
Die Beschwerde ist gemäß §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO als sofortige Beschwerde zulässig und in der Sache begründet.
Die Begründung des AG im angefochtenen Beschluss, die am 1.2.2002 geborene Tochter K. habe sich gegenüber dem Verfahrensbeistand gegen einen Wechsel in den mütterlichen Haushalt ausgesprochen, trägt vorliegend die Versagung von Verfahrenskostenhilfe nicht.
Für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe ist grundsätzlich auf den letzten Erkenntnisstand des Gerichts, d.h. auf den Sach- und Streitstand bei Beschlussfassung abzustellen (vgl. BGH FamRZ 2010, 1324). Dies gilt auch für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung. Das setzt jedoch voraus, dass die gerichtliche Entscheidung alsbald nach der Entscheidungs- bzw. Bewilligungsreife erfolgt. Diese ist gegeben, wenn der Antragsteller sein Begehren schlüssig begründet hat und der Gegner Gelegenheit hatte, sich zu diesem Vorbringen zu äußern (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 31. Aufl., § 119 Rn. 44 m. w. Nw.; Zimmermann, Verfahrens- und Prozesskostenhilfe, 4. Aufl., Rn. 172). Nimmt das AG auf dieser Grundlage im Rahmen des § 26 FamFG weitere Ermittlungen auf, ist regelmäßig die Bewilligungsreife bereits eingetreten (vgl. OLG Karlsruhe FamRZ 2016, 250; OLG Naumburg FamRZ 2015, 947).
Vor diesem Hintergrund hätte das AG bereits nach dem Kenntnisstand bis Mitte Juni 2016 über die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe entscheiden können. Grundsätzlich ist bei Kindschaftsverfahren i.S.v. § 151 FamFG im Hinblick auf die dynamischen familiären Beziehungen eine großzügige Beurteilung gerechtfertigt. Dies gilt auch für Kindesschutzverfahren, weil in elementare Grundrechte eines Elternteils eingegriffen werden könnte oder ein solcher Eingriff fortdauert (vgl. Schulte-Bunert/Weinreich/Keske, FamFG, 5. Aufl., § 76 Rn. 36 m.w.Nw.). Nach dem Antrag der Antragstellerin vom 9.5.2016 und der Stellungnahme des Jugendamts vom 7.6.2016 hatte das AG noch nicht über Verfahrenskostenhilfe entschieden, sondern mit Verfügung vom 7.6.2016 sowohl einen Anhörungstermin auf den 1.7.2016 anberaumt als auch für K. L. Rechtsanwältin P. zum Verfahrensbeistand bestellt.
Auch wenn sich nach dem Bericht des Jugendamts vom 7.6.2016 die Tochter in der Pflegefamilie bei ihrer Tante und ihrem Onkel positiv entwickelt und gegenüber diesen bzw. dem Vormund keine Rückkehrwünsche geäußert hat, sind die verfahrensrechtlichen Maßnahmen des AG auf eine weitere Erforschung des Sachverhalts und auf die Feststellung entscheidungserheblicher Tatsachen gerichtet. Solche wären jedoch nicht erforderlich gewesen, wenn die Rechtsverfolgung der Antragstellerin bereits zu diesem Zeitpunkt keine hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten hätte.
Da die Bewilligungsreife vorliegend somit zum 7.6.2016 gegeben war und zu diesem Zeitpunkt dem Antrag aus Sicht des AG wegen der aufgenommenen Ermittlungen hinreichende Aussichten auf Erfolg nicht abgesprochen werden konnten, war der Antragstellerin Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen.
Unabhängig hiervon wird die Antragstellerin gleichwohl zu erwägen haben, ob das Verfahren fortzuführen oder der Antrag im Hinblick auf die Stellungnahme des Verfahrensbeistands vom 20.6.2016 in der Hauptsache für erledigt erklärt werden kann. Denn zum einen hat das Jugendamt bereits im Schriftsatz vom 7.6.2016 darauf hingewiesen, dass ein erneutes gerichtliches Verfahren K. L. in ihrer aktuellen positiven Entwicklung stark belasten würde. Zum anderen sind nach der vorgenannten ausführlichen und eindeutigen Stellungnahme des Verfahrensbeistands keine konkreten Anhaltspunkte für eine der Antragstellerin günstige Entscheidung zum Sorge- und Umgangsrecht ersichtlich, sodass durch entsprechende Erklärung ohne erneute und belastende Anhörung von K. das Verfahren zum Abschluss gebracht werden könnte, ohne dass der Kindesmutter Kosten auferlegt werden müssten (§ 81 Abs. 2 FamFG).
Fundstellen
Haufe-Index 10311951 |
FuR 2017, 340 |
AGS 2016, 533 |