Leitsatz (amtlich)
Zur Abgrenzung der Verkehrsunfälle, die unter das Haftungsprivileg der §§ 104 f. SGB VII fallen, von sonstigen Wegeunfällen im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGV VII.
Verfahrensgang
LG Lüneburg (Aktenzeichen 2 O 215/18) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 12.09.2018 gegen den Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 28.08.2018 - 2 O 215/18 - wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, jedoch unbegründet. Die Kammer hat zurecht mangels hinreichender Erfolgsaussicht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe versagt.
I. Der Antragsteller verunfallte am 10.10.2017 als Beifahrer in einem Fahrzeug seines Arbeitgebers, das von einem Arbeitskollegen gesteuert wurde, auf einer Fahrt zu einem Firmenkunden (Bl. 4 f. d.A.). Der Antragsteller beabsichtigt, den Kraftfahrt-Haftpflichtversicherer des Arbeitgeber-Pkw aufgrund der bei dem Unfall erlittenen erheblichen Verletzungen direkt in Anspruch zu nehmen und begehrt insbesondere Schmerzensgeld sowie die Feststellung der weiteren Ersatzpflicht der Antragsgegnerin. Er behauptet, der Unfall sei durch grob fahrlässige Unachtsamkeit des
Arbeitskollegen, der das Fahrzeug während des Unfalls geführt hat, verschuldet worden, indem der Pkw auf einen stehenden Lkw aufgefahren sei.
II. Die Rechtsverfolgung des Antragstellers bietet keine Aussicht auf Erfolg (§ 114 Abs. 1 ZPO).
1. Dem Antragsteller stehen die mit der in Aussicht genommenen Klage begehrten Ansprüche nicht zu. Die Ansprüche sind aufgrund der Haftungsprivilegierungen gem. §§ 104 f. SGB VII im Hinblick auf alle in Betracht kommenden Haftpflichttatbestände, deren Bestehen Voraussetzung des akzessorischen Direktanspruchs gegen die Antragsgegnerin ist, ausgeschlossen. Die Antragsgegnerin kann als Versicherer dem Antragsteller als Geschädigten bei einer Inanspruchnahme alle Einwendungen - auch die Haftungsausschlusstatbestände des SGB VII - entgegenhalten, die dem unmittelbar haftenden (Mit-)Versicherten zustehen (Prölss/Martin/Klimke VVG, 30. Aufl. 2018, § 115 Rdnr. 8, beck-online). Der Arbeitgeber des Antragstellers ist Unternehmer im Sinne des § 104 SGB VII und auch als Schädiger im Sinne des Haftungsprivilegs anzusehen. Denn er wäre dem Antragsteller ohne das Haftungsprivileg als Fahrzeughalter aus Gefährdungshaftung einstandspflichtig. Soweit aber der begehrte Direktanspruch auf einer Haftung des Arbeitgebers als Versicherungsnehmer und Fahrzeughalter gemäß § 7 Abs. 1 StVG beruht, ist dieser Haftpflichtanspruch gemäß § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII "gesperrt". Denn danach sind Unternehmer den Versicherten, die für das Unternehmen tätig sind, zum Ersatz des Personenschadens, den ein Versicherungsfall verursacht hat, nur dann verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 - 4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt haben. Beides ist nicht der Fall.
2. Die Voraussetzungen eines Haftungsausschlusses sind in jeder Hinsicht erfüllt.
a) Der im Streit stehende Verkehrsunfall vom 10.10.2017 ist - bereits nach den Angaben des Antragstellers - ein unvorsätzlich verursachter Betriebswegeunfall und damit kein Wegeunfall i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII gewesen, weshalb er dem Haftungsausschluss gem. § 104 Abs. 1 SGB VII unterfällt.
aa) Der Verkehrsunfall ereignete sich im Rahmen einer betrieblichen Tätigkeit.
(1) Als betriebliche Tätigkeit des Schädigers ist grundsätzlich jede gegen Arbeitsunfall versicherte Tätigkeit zu qualifizieren (Senat, Urt. v. 23.12.2009 - 14 U 99/09, Nds.Rpfl. 2010, 82, juris-Rdnr. 57 mwN). Entscheidend ist, ob es sich um eine betriebsbezogene Tätigkeit handelt, die dem (unmittelbaren) Schädiger - hier nach den Angaben des Antragstellers zunächst der Fahrer des verunfallten Pkw - von dem Betrieb oder für den Betrieb übertragen war oder die von ihm im Betriebsinteresse ausgeführt worden ist (OLG Hamm, VersR 1999, 597, juris-Rdnr. 16). Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Schädiger Betriebsangehöriger war und insoweit dem Weisungs- und Direktionsrecht des Inhabers des Unfallbetriebs bzw. dessen Bevollmächtigten unterlag und ob er die Fürsorgepflicht des Unfallbetriebs beanspruchen konnte (OLG Hamm aaO, juris-Rdnr. 18 mwN). Der Begriff der betrieblichen Tätigkeit ist weit auszulegen und objektiv zu bestimmen. Erforderlich ist eine unmittelbar mit dem Zweck der betrieblichen Beschäftigung zusammenhängende und dem Betrieb dienliche Tätigkeit. Maßgeblich ist, ob der Schaden in Ausführung einer betriebsbezogenen Tätigkeit und nicht nur "bei Gelegenheit" verursacht wurde (Senat, Urt. v. 12.05.2010 - 14 U 166/09, RuS 2010, 483, juris-Rdnr. 20 ff. mwN - nachgehend BGH, Beschl. v. 18.03.2011 - VI ZR 339/10, Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen).
(2) Eine solche betriebsbezogene Tätigkeit lag hier eindeutig vor. Der Antragsteller verunfallte als Beifahrer in einem von seinem Arbeitgeber zur Verfügung gestellte...