Leitsatz (amtlich)
Teilt der das Kind vertretende Beistand auf der Grundlage aktueller Einkommensnachweise dem unterhaltspflichtigen Vater mit, dass Kindesunterhalt nicht mehr in Höhe des durch Jugendamtsurkunde titulierten Betrage geschuldet werde und konkretisiert geringere Beträge, so liegt hierin eine Vereinbarung der Beteiligte zum geschuldeten Unterhalt.
Will das Kind später höheren Kindesunterhalt geltend machen, muss es eine wesentliche nachträgliche Änderung der dieser Unterhaltsvereinbarung zugrunde gelegten Verhältnisse darlegen.
Verfahrensgang
AG Osterholz-Scharmbeck (Aktenzeichen 16 F 97/16) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird teilweise dahingehend geändert, dass dem Antragsteller Verfahrenskostenhilfe für seinen Antrag vom 27. Januar 2016 insgesamt bewilligt wird.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten um die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus der Jugendamtsurkunde vom 26. Januar 2012.
Der im November 2006 geborene Antragsgegner ist aus der Beziehung seiner Mutter mit dem Antragsteller hervorgegangen, die seit Frühjahr 2007 getrennt leben. Aus der im Oktober 2010 geschlossenen Ehe des Antragsgegners, der als Metzgermeister tätig ist, ist der im Dezember 2010 geborene Sohn M. hervorgegangen.
Mit Urkunde vom ...... Januar 2012 (......) des Landratsamts F. verpflichtete sich der Antragsteller zur Zahlung von Kindesunterhalt in Höhe von 105 % des Mindestunterhalts abzüglich des hälftigen Kindergeldes für ein erstes Kind. Nachdem der Antragsteller dem durch den Landkreis O. als Beistand vertretenen Antragsgegner Gehaltsabrechnungen übersandt hatte, teilte dieser dem Antragsteller im Schreiben vom 6. Februar 2013 mit, dass seine "Unterhaltsverpflichtung gegenüber F. im November 2012 291 EUR, im Dezember 2012 218,40 EUR und ab dem 01.01.2013 191,04 EUR" betrage. Dabei war der Beistand von einem Nettoeinkommen von 1.660,07 EUR sowie Kreditverpflichtungen von 200 EUR und 111 EUR ausgegangen, ohne pauschalierte berufsbedingte Aufwendungen abzusetzen. Dem Antragsteller wurde zugleich Gelegenheit gegeben, "die Unterhaltsurkunde auf Grund des verringerten Unterhaltsanspruchs anpassen zu lassen." Eine Unterhaltsverpflichtung in dieser Höhe hat der Antragsteller nicht in einer neuen Urkunde beurkunden lassen.
Mit Schreiben vom 9. April 2015 wurde der Antragsteller von den Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners aufgefordert, die aktuellen Einkommensverhältnisse mitzuteilen und hierzu die Gehaltsabrechnungen für Dezember 2014 sowie der ersten drei Monate des Jahres zu übersenden. Die begehrte Auskunft erteilte der Antragsteller mit Schreiben vom 24. April 2015 über seinen Verfahrensbevollmächtigten und teilte abschließend mit, dass einer "Unterhaltsberechnung mit Interesse" entgegengesehen werde. Im Schreiben vom 28. Mai 2015 forderte der Antragsgegner den Antragsteller auf, den Kindesunterhalt von monatlich 291 EUR ab April 2015 zu zahlen.
Der Hauptgerichtsvollzieher H. teilte dem Antragsteller am 19. Oktober 2015 mit, dass er mit der Vollstreckung einer Forderung von 3.249,26 EUR beauftragt worden sei. Aus der beigefügten Forderungsaufstellung geht hervor, dass ab November 2012 ein monatlicher Kindesunterhalt von 291 EUR abzüglich vom Antragsgegner von April 2013 bis Juli 2015 monatlich gezahlter 191,04 EUR zur Vollstreckung gebracht werden soll.
Das Amtsgericht hat dem Antragsteller im angefochtenen Beschluss Verfahrenskostenhilfe insoweit bewilligt, als er sich gegen eine Vollstreckung von mehr als 218,40 EUR für Dezember 2012 sowie von mehr als 191,04 EUR von Januar 2013 bis März 2015 wendet. Der Antragsgegner habe keinen endgültigen Verzicht auf die Rechte aus der Unterhaltsurkunde erklärt, sondern bis zur erneuten Geltendmachung der Rechte aus der Urkunde nur einen vorübergehenden Vollstreckungsverzicht erklärt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, mit der er sich darauf beruft, dass er bis zur Neuberechnung eines höheren Unterhaltsanspruchs durch den Antragsgegner keinen höheren Unterhalt schulde.
II. Die gemäß §§ 113 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige Beschwerde ist - für das bis zum Juli 2015 begrenzte Einstellungsbegehren des Antragstellers - begründet.
Die Rechtsverfolgung des Antragstellers, mit der er sich gegen die Vollstreckung rückständigen Kindesunterhalts aus der Urkunde des Jugendamts des Landratsamts F. vom 26. Januar 2012 - ...... - von Dezember 2012 bis einschließlich März 2015 wendet, bietet bei der im Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren gebotenen summarischen und dem Antragsteller günstigen Beurteilung insgesamt hinreichende Aussicht auf Erfolg.
1. Der Senat kann es dahinstehen lassen, ob - wie das Amtsgericht meint - der Antragsgegner im Schreiben vom 6. Februar 2013 einen vorübergehenden Vollstreckungsverzicht erklärt hat. Dem Wortlaut dieses Schreibens kann nicht ohne weiteres entnommen werden, dass der Antragsgegner für die Zeit ab Dezember 2012 teilweise auf die Vollstreckung aus dem vom Antragsteller errichteten Unterhaltstitel verzichtet hat...