Leitsatz (amtlich)
1. Die Zurückweisung eines einseitigen Rechtsgeschäfts ist treuwidrig, wenn der Geschäftsgegner wiederholt mit dem Vertreter im Rahmen einer Geschäftsbeziehung Kontakt hatte und sein Vertreterhandeln ohne Vorlage einer Vollmachtsurkunde anerkannt hat.
2. Eine Kündigung aus wichtigem Grund kann auch dann erfolgen, wenn feststeht, dass der Auftragnehmer eine Vertragsfrist aus von ihm zu vertretenden Gründen nicht einhalten wird und diese Vertragsverletzung von so erheblichem Gewicht ist, dass dem Auftraggeber eine Fortsetzung des Vertrags nicht zumutbar ist.
3. Der Auftragnehmer hat eine drohende Fristüberschreitung dann nicht zu vertreten, wenn er einen Anspruch auf Bauzeitverlängerung hat. Die Dauer der Behinderung ist auf der Basis baubetrieblicher und bautechnischer Abhängigkeiten zu belegen, wobei eine abstrakte Berechnung nicht ausreicht.
4. Erhält der Auftragnehmer zeitnah zur Verhandlung über den bereits geschlossenen Vertrag das darüber erstellte Protokoll und ist aus diesem eine Abänderung des Vertrags zu erkennen, ist er verpflichtet, den Änderungen zu widersprechen, um zu verhindern, dass sein Schweigen wie eine nachträgliche konkludente Genehmigung behandelt wird und die Vereinbarung mit diesem Inhalt zustande kommt.
5. Eine vom Auftraggeber vorformulierte Vertragsklausel, wonach ein "abschnittsweises, zeitversetztes, kleinteiliges und diskontinuierliches Arbeiten" vereinbart wird, ist weder überraschend noch benachteiligt sie den Auftragnehmer unangemessen.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 2. März 2020 verkündete Zwischenfeststellungsurteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das angefochtene Urteil und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit leistet in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Der Wert der Berufung wird auf 1.019.094,11 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die zulässige Berufung der Klägerin bleibt offensichtlich ohne Erfolg. Des Weiteren kommt der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zu, und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Eine mündliche Verhandlung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO ist nicht geboten.
II. Der Senat hat mit Beschluss vom 18. November 2020 (Bl. 870 ff. d. A.) darauf hingewiesen, dass erwogen wird, die Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Wegen der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf diesen Beschluss (unter Ziffer I) Bezug genommen.
Innerhalb der mit diesem Beschluss eingeräumten Frist hat die Klägerin zu dem Vorhaben des Senats Stellung genommen (vgl. Schriftsatz vom 29. Januar 2021, Bl. 949 ff. d. A.). Das beklagte Land hat hierauf mit Schriftsatz vom 3. Februar 2021 (Bl. 995 ff. d. A.) reagiert.
III. 1. Die Voraussetzungen für die Zurückweisung der Berufung durch einstimmigen Senatsbeschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO liegen aus den in dem Beschluss vom 18. November 2020 unter Ziffer II genannten Gründen vor.
2. Der Schriftsatz der Klägerin gibt dem Senat keine Veranlassung zu einer anderen Beurteilung.
a) Der Senat bleibt dabei, dass die Klägerin nach § 242 BGB daran gehindert ist, gegenüber der Kündigungsandrohung durch Herrn X nach § 174 BGB einzuwenden, dass der Kündigungsandrohung keine Vollmacht beigelegt worden sei.
aa) Für die Frage, ob zwischen den Parteien eine ständige Geschäftsbeziehung vorlag, kommt es vorliegend nicht darauf an, ob die Parteien bereits vor den beiden hier streitbefangenen Bauverträgen zum Umbau des (...) weitere vertragliche Beziehungen unterhielten. Vielmehr reichen vorliegend die beiden streitgegenständlichen Bauverträge für die Annahme einer ständigen Geschäftsbeziehung aus. Denn bei diesen Bauverträgen handelt es sich um Verträge, die eine längere Vertragsausführungszeit mit einer Vielzahl von während dieser Zeit nötiger Absprachen voraussetzten.
bb) Soweit die Klägerin ausführt, sie habe keine Veranlassung gesehen, § 174 BGB im Zusammenhang mit den beiden von Herrn X unterzeichneten Kündigungsandrohungen vom 11. und 27. Juli 2016 zu bemühen, weil sie der den Kündigungsandrohungen zu Grunde liegenden Forderung abgeholfen habe, zeigt gerade die behauptete Abhilfe, dass die Klägerin die durch Herrn X ausgesprochenen Kündigungsandrohungen ernst nahm und davon ausging, dass er entsprechend bevollmächtigt sei. Insofern kommt es auch nicht darauf an, ob Herr X Projektleiter oder stellvertretender Projektleiter war.
cc) Soweit die Klägerin meint, für die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben nach § 242 BGB sei im Bereich des § 174 BGB grundsätzlich kein Platz, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Im Gegenteil geht er mit der herrsc...