Leitsatz (amtlich)

Erhält eine bedürftige Partei aufgrund des Prozesserfolges nachträglich einen das sog. Schonvermögen übersteigenden Geldbetrag, ist sie grundsätzlich nicht dazu verpflichtet, diesen vorrangig für den Ausgleich der von der Staatskasse verauslagten Prozesskosten einzusetzen. Eine nachträgliche Zahlungsanordnung durch den Rechtspfleger nach § 120 Abs. 4 ZPO kommt vielmehr nur in Betracht, wenn eine Gesamtprüfung ergibt, dass die Bedürftigkeit ganz oder teilweise entfallen ist (Anschluss an BGH v. 21.9.2006 - IX ZB 305/05, BGHReport 2006, 1559 = MDR 2007, 366 = NJW-RR 2007, 628 und OLG Celle, Beschl. v. 24.5.2007 - AZ.: 4 W 104/07).

 

Normenkette

ZPO §§ 115, 120 Abs. 4

 

Verfahrensgang

AG Otterndorf (Beschluss vom 05.06.2007; Aktenzeichen 6 Lw 77/04)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Rechtspflegerin des AG - Landwirtschaftsgerichts - Otterndorf vom 5.6.2007 wird die angefochtene Entscheidung aufgehoben.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin hat Ergänzungsansprüche nach § 13 HöfeO verfolgt. Gegen den teilweise stattgebenden Beschluss des Landwirtschaftsgerichts hatte der Antragsgegner sofortige Beschwerde eingelegt. Daraufhin ist vor dem erkennenden Senat am 19.2. diesen Jahres ein Vergleich geschlossen worden, wonach der Antragsgegner insgesamt 19.000 EUR zahlen soll. Einen Teilbetrag von 10.000 EUR hat sie bereits erhalten. Die restlichen 9.000 EUR sind nach dem Vergleich am 15.10. diesen Jahres fällig.

Die Rechtspflegerin beim Landwirtschaftsgericht hat durch den angefochtenen Beschluss die für beide Instanzen jeweils bewilligte Prozesskostenhilfe aufgehoben und zugleich die sofortige Zahlung aller bislang von der Staatskasse verauslagten Kosten, die mit 4.943,10 EUR beziffert werden, angeordnet. Die Entscheidung sei nach § 120 Abs. 4 ZPO wegen des nachträglichen Vermögenserwerbs gerechtfertigt. Die Antragstellerin sei verpflichtet, die aus dem Prozessvergleich erlangten 10.000 EUR einzusetzen und könne sich nicht, wie geschehen, darauf berufen, dieses Geld zur Zahlung einer Stammeinlage für eine am 7.2.2007 gegründete GmbH verwendet zu haben. Die Zahlungsanordnung sei zumutbar, zumal die Antragstellerin im Oktober weitere 9.000 EUR zu erwarten habe.

II. Die hiergegen fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde, der die Rechtspflegerin nicht abgeholfen hat, ist in der Sache begründet und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.

1. Die Antragstellerin weist unter Bezugnahme auf BGH NJW 1994, 3292 zunächst zutreffend darauf hin, dass nach § 120 Abs. 4 ZPO ein nachträglicher Vermögenserwerb zwar eine Zahlungsanordnung, nicht aber die vollständige Aufhebung der Prozesskostenbewilligung rechtfertigen kann. Letztere kommt vielmehr nur beim Hinzutreten weiterer, in § 124 ZPO geregelter Voraussetzungen, welche hier ersichtlich nicht vorliegen, in Betracht.

2. Auch die getroffene Zahlungsanordnung kann keinen Bestand haben. Insoweit ist die aktuelle höchstrichterliche und obergerichtliche Rechtsprechung, welcher sich der Senat anschließt, nicht berücksichtigt und ohne ausreichende Tatsachengrundlage entschieden worden.

Nach dieser Rechtsprechung gibt es keinen Grundsatz, wonach der Ertrag eines erfolgreich geführten Prozesses vorrangig zur Deckung der von der Staatskasse verauslagten Prozesskosten einzusetzen ist. Vielmehr kommt eine Änderung des Prozesskostenhilfe bewilligenden Beschlusses nur dann in Betracht, wenn sich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der bedürftigen Partei insgesamt dahin geändert haben, dass sie nunmehr in der Lage ist, die Prozesskosten ganz, zum Teil oder in Raten aufzubringen (BGH v. 21.9.2006 - IX ZB 305/05, BGHReport 2006, 1559 = MDR 2007, 366 = NJW-RR 2007, 628 = Rpfleger 2007, 32; OLG Celle, Beschl. v. 24.5.2007 - AZ.: 4 W 104/07 - zit. n. Juris).

Danach wäre hier eine Zahlungsanordnung oder Ratenanordnung nur gerechtfertigt, wenn auch für einen neu zu beginnenden Prozess entsprechende Anordnungen zu treffen wären. Hierfür fehlt es bislang jedoch an ausreichenden Feststellungen durch die Rechtspflegerin des Landwirtschaftsgerichts.

Die Antragstellerin mag zunächst zur Abgabe einer aktuellen Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse aufgefordert werden. Dabei wird sie zu erläutern haben, was es mit der GmbH-Gründung und der von ihr geleisteten Stammeinlage auf sich hat. Sollte es sich so verhalten, dass die Antragstellerin zur Beendigung ihrer bisherigen Arbeitslosigkeit wieder eine geschäftliche Tätigkeit aufgenommen und hierfür die 10.000 EUR aus der Vergleichssumme mitverwendet hat, dürfte der Einsatz dieses Geldes für die Prozesskosten kaum in Betracht kommen. Etwas anderes müsste allerdings gelten, wenn die Gesellschaftsgründung und die Verwendung der Vergleichszahlung für die Stammeinlage nicht der objektiv vernünftigen und vertretbaren Existenzneugründung der Antragstellerin, sondern der mutwilligen und böswilligen Aufrechterhaltung ihrer Bedürftigkeit in Kenntnis der Änderungsmöglichkei...

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