Leitsatz (amtlich)
Da der Mitversicherte in den Versicherungsvertrag einbezogen ist, treffen ihn auch die verhaltensbezogenen Obliegenheiten aus dem Versicherungsvertrag, soweit sein eigenes Verhalten und seine eigenen Wahrnehmungen vor oder nach Eintritt des Versicherungsfalls betroffen sind. Die Verletzung einer vor und einer nach dem Versicherungsfall zu erfüllenden Obliegenheit führt zu einer Addition der Regresshöchstbeträge. Nutzt der Mitversicherte das Kfz gegen den Willen des Versicherungsnehmers, so ist der Regresshöchstbetrag nicht um eine interne Haftungsquote des Versicherungsnehmers zu reduzieren.
Verfahrensgang
LG Hildesheim (Beschluss vom 04.06.2012; Aktenzeichen 3 O 169/12) |
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des LG Hildesheim vom 4.6.2012 wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beklagte.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 10.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des LG Hildesheim ist zulässig aber unbegründet. Die Verteidigung des Beklagten gegen die Klage besitzt keine hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S.v. § 114 ZPO.
I. Auf der Grundlage einer summarischen Prüfung steht der Klägerin gegen den Beklagten ein Anspruch gem. § 116 Abs. 1 VVG in Höhe der Klageforderung zu.
1. Die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung beinhaltet die Mitversicherung weiterer Personen, insbesondere des Fahrers des versicherten Fahrzeugs. Es handelt sich insoweit um einen Vertrag zugunsten Dritter in Form der Versicherung für fremde Rechnung i.S.v. § 43 VVG. Der Mitversicherte erwirbt hierdurch einen eigenen Deckungsanspruch gegen den Haftpflichtversicherer, den er selbständig durchsetzen kann. Da er hierdurch in den Versicherungsvertrag einbezogen ist, treffen ihn auch die verhaltensbezogenen Obliegenheiten aus dem Versicherungsvertrag, soweit sein eigenes Verhalten und seine eigenen Wahrnehmungen vor oder nach Eintritt des Versicherungsfalls betroffen sind (vgl. BGH VersR 1988, 1062; BGH VersR 1968, 185; KG VersR 2011, 254).
Zwar sieht § 116 Abs. 1 VVG eine etwaige Leistungsfreiheit des Versicherers nur gegenüber dem Versicherungsnehmer vor. Die Vorschrift findet jedoch entsprechend auch auf das Verhältnis zwischen dem Versicherer und dem mitversicherten Fahrer Anwendung. Dies folgt aus dem allgemeinen Grundsatz, dass bei einer Versicherung für fremde Rechnung die geltenden Bestimmungen auch auf den Versicherer zu erstrecken sind (vgl. BGH VersR 1988, 1062). Ist der Versicherer nur gegenüber dem Halter, nicht aber gegenüber dem Fahrer zur Gewährung von Versicherungsschutz verpflichtet, ist allerdings zunächst zu ermitteln, wie der Schaden im Verhältnis zwischen Halter und Fahrer gem. § 254 BGB zu verteilen ist. Der Versicherer hat nur die Quote zu übernehmen, die auf den Halter entfällt; hinsichtlich der Quote des Fahrers kann er gegen diesen Rückgriff nehmen (vgl. BGH, a.a.O.).
2. Im vorliegenden Fall ist auf der Grundlage des Parteivortrags und der beigezogenen Strafakte davon auszugehen, dass es durch den Beklagten zu einer doppelten Obliegenheitsverletzung kam.
a) Zunächst führte der Beklagte das versicherte Fahrzeug, obwohl er unstreitig nicht über die hierfür erforderliche Fahrerlaubnis verfügte. Damit verletzte er seine Obliegenheit gemäß Ziffer D. 1.3 der Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB). Soweit der Beklagte die Nutzung des Fahrzeugs durch eine ihm nicht näher bekannte Person polnischer Staatsangehörigkeit behauptet, wird ihm dieser Einwand im Rechtsstreit voraussichtlich nicht zum Erfolg verhelfen. In diesem Zusammenhang soll nicht verkannt werden, dass das Bestehen hinreichender Erfolgsaussichten in der Regel dann besteht, wenn über eine entscheidungserhebliche Frage noch Beweis zu erheben ist (vgl. Geimer in Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 114 Rz. 26). Allerdings gilt bei der Bewertung der hinreichenden Erfolgsaussicht das Verbot der Beweisantizipation nur begrenzt. Eine Beweisantizipation ist zulässig, wenn die Gesamtwürdigung aller schon feststehenden Umstände und Indizien eine positive Beweiswürdigung zugunsten des Hilfsbedürftigen als außerordentlich gering, wenn nicht sogar ausgeschlossen erscheinen lässt und eine vernünftig und wirtschaftlich denkende Partei, die den Prozess selbst finanzieren müsste, wegen des absehbaren Misserfolgs der Beweisaufnahme von einer Prozessführung absehen würde (vgl. BVerfG NJW-RR 2005, 140; BGH VersR 1994, 367; BGH NJW 1988, 266; OLG Bamberg OLGReport Bamberg 2006, 539; OLG Bremen MDR 2006, 92; OLG Köln OLGReport Köln 2004, 199; OLG Celle OLGReport Celle 2002, 273; OLG Koblenz JurBüro 2002, 376).
So liegt der Fall hier. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des LG im Beschluss vom 4.6.2012 Bezug genommen. Ergänzend soll deshalb nur noch darauf hingewiesen werden, da...