Normenkette
ZPO §§ 348, 572 n.F.
Verfahrensgang
LG Hannover (Aktenzeichen 9 O 9/02) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an die 9. Zivilkammer des LG … als Kammer zurückverwiesen.
Streitwert für das Beschwerdeverfahren: bis 7.000 Euro.
Gründe
Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 91a Abs. 2 S. 1, § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) und insoweit begründet, als der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen war.
1. Der angefochtene Beschluss leidet an einem wesentlichen Verfahrensmangel.
a) Die Entscheidung ist nicht durch den im Zeitpunkt der Beschlussfassung zuständigen gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG) ergangen.
aa) Für die Entscheidung des Rechtsstreits war der originäre Einzelrichter der 9. Zivilkammer des LG … gem. § 348 Abs. 1 S. 1 ZPO zuständig. Dieser hat auch zunächst das schriftliche Vorverfahren angeordnet und den Parteien mit Verfügung vom 22.3.2002 (Bl. 21 d.A.) Gelegenheit gegeben mitzuteilen, ob einer Übertragung der Sache auf die Kammer Gründe entgegenstehen. Mit Verfügung vom 24.5.2002 hat er die Sache sodann dem Vorsitzenden zur Entscheidung der Kammer über eine Übernahme vorgelegt (Bl. 37 d.A.). Ein Übertragungsbeschluss gem. § 348 Abs. 3 S. 3 ZPO wurde auchvorbereitet, ist aber am 27.5.2002 ausschließlich durch den Kammervorsitzenden unterschrieben worden (Bl. 37 d.A.). Trotz Fehlens eines wirksamen Übertragungsbeschlusses hat dann indessen die Kammer am 15.7.2002 den Beschluss nach § 91a ZPO erlassen (Bl. 67 d.A.).
Diese Übernahme einer originären Einzelrichtersache durch die Kammer ohne wirksamen Übertragungsbeschluss stellt, da es um den gesetzlichen Richter geht, einen nicht heilbaren Verfahrensfehler dar (Musielak/Wittschier, 3. Aufl., § 348a ZPO Rz. 15; Zöller/Greger, 23. Aufl., § 348a ZPO Rz. 23). Es ist deshalb unerheblich, dass der Beschluss über die Übernahme des Verfahrens durch die Kammer am 12.9.2002 – zeitgleich mit dem Nichtabhilfebeschluss (Bl. 108 d.A.) – nachgeholt wurde (Bl. 106 d.A.). Rückwirkende Wirkung kommt einem derartigen Übertragungsbeschluss nicht zu. Eine Zuständigkeit ist erst für das weitere Verfahren nach Erlass des Beschlusses begründet (vgl. Musielak/Wittschier, 3. Aufl., § 348a ZPO Rz. 19).
bb) Die Entscheidung durch den funktionell nicht zuständigen Spruchkörper zwang zur Aufhebung des Beschlusses auch insoweit, als das LG der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz auferlegt hat. Das Verbot, den Antragsteller der Instanz schlechter zu stellen als in der Vorinstanz, das sich für das Berufungsverfahren § 528 S. 2 ZPO n.F. entnehmen lässt und für das Beschwerdeverfahren gleichermaßen gilt, betrifft nur das materielle Recht, wo es auf die gestellten Anträge gem. der genannten Vorschrift ankommt, nicht Verfahrensvorschriften, welche das Rechtsmittelgericht ungeachtet des Parteiwillens von Amts wegen zu prüfen hat (vgl. Zöller/Gummer, 23. Aufl., § 573 ZPO Rz. 42).
b) Der Senat sieht von einer eigenen Sachentscheidung ab. Gemäß § 572 ZPO steht es im Ermessen des Beschwerdegerichts, ob es der Beschwerde selbst abhilft oder die Sache an das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, zurückverweist. Auch bei einem wesentlichen Verfahrensfehler – wie hier – muss deshalb nicht zwingend eine Zurückverweisung erfolgen (Musielak/Ball, 3. Aufl., § 572 ZPO Rz. 16). Einer eigenen Sachentscheidung steht hier indessen entgegen, dass die Unzuständigkeit der Kammer zum Erlass des Beschlusses vom 15.7.2002 zugleich Auswirkungen auf die Zuständigkeiten des Senats im Beschwerdeverfahren und damit auf den gesetzlichen Richter des Beschwerdegerichts hat. Wäre der Beschluss vom 15.7.2002 nämlich durch den zu diesem Zeitpunkt noch zuständigen Einzelrichter erlassen worden, so wäre im Beschwerdeverfahren ebenfalls der originäre Einzelrichter des Senats gem. § 568 Abs. 1 S. 1 ZPO zuständig gewesen. Da der angefochtene Beschluss indessen von der – wenn auch unzuständigen – Kammer erlassen wurde, ist auch im Beschwerdeverfahren eine Zuständigkeit des Senats begründet.
Der angefochtene Beschluss war daher aufzuheben und an die 9. Zivilkammer des LG … zurückzuverweisen. Eine Zurückverweisung an den originären Einzelrichter der Zivilkammer kommt demgegenüber zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr in Betracht, nachdem der Rechtsstreit inzwischen durch unanfechtbaren und nicht mehr rückgängig zu machenden (vgl. § 348 Abs. 3 S. 4 ZPO) Beschluss vom 12.9.2002 auf die Kammer übertragen wurde. Diese wird nunmehr eine erneute Entscheidung nach § 91a ZPO zu treffen haben.
2. Für das weitere Verfahren weist der Senat, der im Falle einer erneuten sofortigen Beschwerde gegen die Entscheidung der Zivilkammer zuständig wäre, auf Folgendes hin:
Die Klage dürfte zunächst zulässig und begründet gewesen sein. Der Klägerin stand ein Anspruch auf Rückzahlung der Bürgschaftssumme von 400.000 DM (= 204.516,75 Euro) gegen die Beklagte zu. Hat der Bürge auf eine Bürgschaft...