Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterbrechung eines Rechtsstreits durch ausländisches Insolvenzverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Die Entscheidungszuständigkeit des Gerichts eines EU-Mitgliedsstaates zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ist von dem Gericht des Zweitstaates nicht zu überprüfen.

 

Normenkette

InsO §§ 343, 352; EuInsVO § 16

 

Verfahrensgang

LG Verden (Aller) (Aktenzeichen 7 O 188/11)

 

Tenor

Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit bezüglich des Beklagten zu 1 seit dem 15.10.2012 unterbrochen ist.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt von den Beklagten als Gesamtschuldnern die restliche Rückzahlung eines Darlehens von ursprünglich insgesamt 300.000 EUR i.H.v. noch 100.000 EUR zzgl. Zinsen und vorgerichtlicher Anwaltskosten.

Das LG hat mit Urteil vom 24.8.2012 den Beklagten zu 1 verurteilt, an den Kläger 30.000 EUR nebst Zinsen und vorgerichtlicher Anwaltskosten zu zahlen und den Beklagten zu 2 verurteilt, an den Kläger 70.000 EUR nebst Zinsen und vorgerichtlicher Anwaltskosten zu zahlen und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Gegen das am 29.8.2012 zugestellte Urteil hat der Beklagte zu 1 mit vorab per Telefax am 27.9.2012 eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag und der Beklagte zu 2 mit vorab per Telefax am 28.9.2012 eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt.

Mit Verfügung vom 12.10.2012 hat der Senat die Berufungsbegründungsfrist für den Beklagten zu 1 bis zum 29.11.2012 und mit Verfügung vom 24.10.2012 die Berufungsbegründungsfrist für den Beklagten zu 2 bis zum 28.11.2012 verlängert. Mit dem am 16.11.2012 eingegangenem Schriftsatz vom 15.11.2012 (Bl. 330 f.) hat der Beklagte zu 1 seine Berufung begründet.

Mit Schreiben vom 23.10.2012 hat der Beklagte zu 1 beantragt gemäß § 352 Abs. 1 S. 1 InsO die Unterbrechung des Rechtsstreit zu beschließen und in Kopie einen Beschluss (Bankrupty Order on Debtor's Petition) des St. A. C. C. vom 15.10.2012 vorgelegt.

Mit Schriftsätzen vom 31.10.2012 und 26.11.2012 wendet sich der Kläger gegen die Unterbrechung und bestreitet, dass es sich um die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens i.S.d. § 352 InsO handelt. Auch bestreitet er die Zuständigkeit des St. A. C. C., weil der Beklagte zu 1 zum Zeitpunkt der Klageerhebung seinen Wohnsitz in V. hatte.

Einen Nachweis über einen Wohnsitz in G. könne der Beklagte zu 1 auch nicht durch Mietverträge und Stromabrechnungen führen. Am Wochenende sei der Beklagte zu 1 in V. zu erreichen. Insoweit bietet der Kläger Beweis an.

Die Anerkennung eines ausländischen Insolvenzverfahrens würde zu einem Ergebnis führen, dass mit den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar sei. Auf Grund der deutlich schnelleren Restschuldbefreiung nach englischem Recht läge ein rechtsmissbräuchliches Verhalten nahe.

II. Der Rechtsstreit ist in Bezug auf den Beklagten zu 1 gem. § 352 Abs. 1 S. 1 InsO i.V.m. § 240 ZPO durch Eröffnung des englischen bankrupty-Verfahrens unterbrochen.

1. Der Senat schließt sich insoweit der Ansicht des 10. Zivilsenats des BGH an, dass für den Fall, dass Streit über eine Unterbrechung besteht, die Unterbrechung durch Beschluss festzustellen ist (BGH NJW-RR 1995, 573, Rz. 3; OLG Nürnberg NJW 2012, 862; Musielak/Stadler, ZPO, 9. Aufl., § 240 Rz. 9).

2. Die Eröffnung des englischen bankrupty-Verfahrens über das Vermögen der Beklagten zu 1 hat zur Unterbrechung des vorliegenden Rechtsstreits geführt, weil der Rechtsstreit die Insolvenzmasse betrifft (Art. 15, Art. 2a VO (EG) 1346/2000 (EuInsVO) i.V.m. Anlage A, Durchführungsverordnung (EU) Nr. 210/2010 Anhang I, § 352 Abs. 1 S. 1 InsO) und die Eröffnungsentscheidung des St. A. C. C. wirksam war.

a) Die Unterbrechung ist nach § 240 Abs. 1 ZPO und § 352 InsO eingetreten, ohne dass es darauf ankommt, ob das englische Insolvenzrecht eine Unterbrechungswirkung anordnet. Denn Art. 15 Art. 15 EUInsVO regelt, dass es für die Wirkungen eines ausländischen Insolvenzverfahrens auf das Recht des Gerichtsstaats ankommt ("lex fori processus")(vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 28.8.2012 - 5 U 150/11, Rz. 13 zitiert nach juris).

b) Der nach § 343 InsO anzuerkennende Eröffnungsbeschluss muss sich schon dem Wortlaut nach auf ein "Insolvenzverfahren" beziehen. Als Orientierungshilfe dienen hierbei die in den Anhängen A und B der EuInsVO genannten Verfahren (vgl. MünchKomm/InsO/Reinhardt, § 343 Rz. 11). Für das United Kingdom ist das "Bankrupty"-Verfahren ausdrücklich genannt.

c) Das St. A. C. C. war auch zuständig. Das ausländische Insolvenzgericht muss gemäß unseren inländischen Vorschriften international zuständig sein (§ 343 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Das ist dann der Fall, wenn der Schuldner gem. Art. 3 EuInsVO bzw. analog § 3 InsO seinen allgemeinen Gerichtsstand im Staat des Verfahrensstaates hat (MüKo, a.a.O., Rz. 12). Maßgeblicher Zeitpunkt ist der Zeitpunkt des Eröffnungsantrages (Andres/Leithaus-Dahl, InsO, 2. Aufl., § 343 Rz. 13).

Der Einwand des Klägers, der Beklagte zu 1 habe zum Zeitpunkt der Klageerhebung seinen Wohnsitz in V. ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?