Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an Verfahrensrüge bei Versagung von Einsichtnahme in Bedienungsanleitung eines Geschwindigkeitsmessgerätes

 

Leitsatz (amtlich)

Bei einer auf die Versagung der Einsichtnahme in die Bedienungsanleitung eines Geschwindigkeitsmessgerätes gestützten Verfahrensrüge bedarf es grundsätzlich der Darlegung, was bei rechtzeitiger Gewährung der Einsichtnahme vorgetragen worden wäre. Ist dies nicht möglich, muss mit der Rechtsbeschwerde dargelegt werden, welche Bemühungen um Einsichtnahme bis zum Ablauf der Frist zur Erhebung der Verfahrensrüge vorgenommen worden sind. Allein die wiederholte Aufforderung an die Bußgeldstelle, die Bedienungsanleitung zur Verfügung zu stellen, genügt hierfür angesichts des Umstandes, dass die Bedienungsanleitung kein Unikat darstellt, nicht.

 

Normenkette

StPO §§ 147, 338 Nr. 8, § 344 Abs. 2; OWiG § 79 Abs. 3

 

Tenor

1. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

2. Die Sache wird auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.

3. Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.

4. Die Kosten der Rechtsbeschwerde trägt der Betroffene.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Stadthagen verurteilte den Betroffenen am 1. Oktober 2012 wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften und setzte eine Geldbuße von 150 € fest.

Nach den getroffenen Feststellungen befuhr der Betroffene am 7. November 2011 um 16:36 Uhr mit einem Pkw im Bereich der Gemarkung A. die BAB 2 in Fahrtrichtung B.. Der Verkehr wurde vor Ort durch eine über der Fahrbahn angebrachte digitale Verkehrsbeeinflussungsanlage geregelt, die in Höhe der Kilometer 263,68 und 261,453 eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h anordnete. Im Bereich des Kilometers 260,6 fand eine Geschwindigkeitsmessung mittels des Messgeräts ESO 3.0 durch den Zeugen PK O. statt. Der Betroffene passierte mit seinem Pkw die Messanlage auf der mittleren von drei Fahrspuren und wurde dabei mit einer Geschwindigkeit von 157 km/h brutto gemessen. Nach Abzug eines Toleranzwertes von 3 % betrug die vorwerfbare Geschwindigkeit 152 km/h, die somit 32 km/h über der vorgeschriebenen Geschwindigkeit für diesen Streckenabschnitt lag. Der Betroffene hätte bei Beachtung seiner Sorgfaltspflicht als Kraftfahrzeugführer seine Geschwindigkeit der örtlich geltenden Regelung anpassen können und müssen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Dabei macht er eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, die unzulässige Beschränkung von Verteidigerrechten sowie einen Verstoß gegen das Prinzip des fairen Verfahrens geltend, weil ihm trotz mehrfacher Anforderungen weder die Betriebsanleitung des Messgeräts noch die Lebensakte zur Verfügung gestellt worden sei.

II.

Die Rechtsbeschwerde blieb ohne Erfolg.

1. Die Rechtsbeschwerde war zunächst gemäß § 80 Abs. 1 OWiG zuzulassen, weil es geboten ist, die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des Rechts zu ermöglichen. Es gilt, die Anforderungen für die Erhebung der Rüge bei Versagung der Einsichtnahme in die Bedienungsanleitung von Messgeräten zu präzisieren. Der Einzelrichter hat sodann gemäß § 80 a Abs. 3 OWiG die Sache auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.

2. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, in der Sache aber unbegründet.

a) Die auf die Beiziehung der Lebensakte gestützte Verfahrensrüge und die Sachrüge sind zulässig erhoben, decken aber keinen durchgreifenden Rechtsmangel im angefochtenen Urteil auf. Die getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch. Der Rechtsfolgenausspruch ist im Hinblick auf die vom Amtsgericht berücksichtigte Voreintragung des Betroffenen im Verkehrszentralregister nicht zu beanstanden. Soweit der Betroffene eine Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt, weil ihm die Lebensakte des Messgeräts nicht zur Verfügung gestellt worden ist, konnte die Verfahrensrüge bereits deshalb keinen Erfolg haben, weil eine solche Lebensakte nicht existiert, nachdem seitens des Polizeiamts für Technik und Beschaffung Niedersachsen seit dem Jahr 2002 derartige Akten nicht mehr geführt werden.

b) Näheren Ausführungen bedurfte es daher alleine zur Rüge des Betroffenen, ihm sei die Bedienungsanleitung des Messgerätes nicht zur Verfügung gestellt worden. Diese ist unter jedem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt in nicht ausreichender Weise ausgeführt worden.

aa) Soweit der Betroffene hiermit die Verletzung des Prinzips des fairen Verfahrens und damit zugleich die Beschränkung der Verteidigerrechte in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt rügt, genügt der Vortrag in der Rechtsbeschwerde nicht den sich aus § 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 344 Abs. 2 StPO ergebenden Anforderungen. Eine solche unzulässige Beschränkung im Sinne des § 338 Nr. 8 StPO liegt nämlich nur dann vor, wenn sie auf einem in der Hauptverhandlung ergangenen Gerichtsbeschluss beruht und die Möglichkeit eines kausalen Zusammenhangs zwischen dem Verfahrensverstoß un...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?