Normenkette

BGB § 2229

 

Verfahrensgang

LG Verden (Aller) (Aktenzeichen 2 T 450/01)

AG Syke (Aktenzeichen 6 VI 484/01)

 

Tenor

Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 1) hat der Beteiligte zu 2) zu tragen.

Beschwerdewert: 681.722,54 Euro.

 

Gründe

Die zulässige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2) ist unbegründet.

1. Die Feststellung des LG, zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments vom 30.12.1999 habe eine Testierunfähigkeit der Erblasserin vorgelegen, lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).

a) Die Frage, ob die Voraussetzungen der Testierfähigkeit gegeben sind, ist im Wesentlichen tatsächlicher Natur. Das Rechtsbeschwerdegericht kann die Feststellungen des LG nur daraufhin überprüfen, ob es Verfahrensvorschriften verletzt, den maßgebenden Sachverhalt ausgeforscht (§ 12 FGG, § 2358 Abs. 1 BGB), bei der Erörterung des Beweisstoffes alle wesentlichen Umstände berücksichtigt (§ 25 FGG) und hierbei nicht gegen gesetzliche Beweisregeln, Denkgesetze und feststehende Erfahrungssätze verstoßen und die zu stellenden Beweisanforderungen vernachlässigt oder überspannt hat (BayObLG v. 24.10.2001 – 1Z BR 40/01, BayObLGReport 2002, 169 = NJW-RR 2002, 1088; v. 19.4.2000 – 1Z BR 159/99, BayObLGReport 2000, 43 = FamRZ 2001, 55 f.; v. 21.7.1999 – 1Z BR 122/98, BayObLGReport 2000, 13 = FamRZ 2000, 701 [702]; OLG Frankfurt v. 22.12.1997 – 20 W 264/95, OLGReport Frankfurt 1998, 84 = NJW-RR 1998, 870 [871]; v. 15.11.1995 – 20 W 144/94, OLGReport Frankfurt 1996, 117 = NJW-RR 1996, 1159).

Die Entscheidung des LG hält diesen Kriterien stand.

b) Nach § 2229 Abs. 4 BGB ist testierunfähig, wer wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörungen nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Das Gesetz verbindet danach nicht mit jeder Geisteskrankheit oder -schwäche die Testierunfähigkeit, sondern sieht die Fähigkeit, die Bedeutung der letztwilligen Verfügung zu erkennen und sich bei seiner Entschließung von normalen Erwägungen leiten zu lassen, als maßgebend an (BayObLG v. 14.9.2001 – 1Z BR 124/00, BayObLGReport 2002, 80 = FamRZ 2002, 1066 [1067]; v. 24.10.2001 – 1Z BR 40/01, BayObLGReport 2002, 169 = NJW-RR 2002, 1088; Palandt/Edenhofer, BGB, 62. Aufl., § 2229 Rz. 7). Testierunfähig ist danach derjenige, der nicht in der Lage ist, sich über die für und gegen die sittliche Berechtigung einer letztwilligen Verfügung sprechenden Gründe ein klares, von Wahnideen nicht gestörtes Urteil zu bilden und nach diesem Urteil frei von Einflüssen etwaiger interessierter Dritter zu handeln (BayObLG v. 19.4.2000 – 1Z BR 159/99, BayObLGReport 2000, 43 = FamRZ 2001, 55; v. 21.7.1999 – 1Z BR 122/98, BayObLGReport 2000, 13 = FamRZ 2000, 701 [703]; OLG Frankfurt v. 22.12.1997 – 20 W 264/95, OLGReport Frankfurt 1998, 84 = NJW-RR 1998, 870). Dabei geht es nicht darum, den Inhalt der letztwilligen Verfügung auf seine Angemessenheit zu beurteilen, sondern nur darum, ob sie frei von krankheitsbedingten Störungen zustande gekommen ist.

Da die Störung der Geistestätigkeit die Ausnahme bildet, ist ein Erblasser solange als testierfähig anzusehen, als nicht die Testierunfähigkeit zur vollen Gewissheit des Gerichts feststeht. Die Feststellungslast für die Testierunfähigkeit als eine das Erbrecht vernichtende Tatsache trägt derjenige, der sich auf die darauf beruhende Unwirksamkeit beruft. Bleiben deshalb trotz Ausschöpfung aller Aufklärungsmöglichkeiten nicht behebbare Zweifel, so muss von der Testierfähigkeit ausgegangen werden (BayObLG v. 24.10.2001 – 1Z BR 40/01, BayObLGReport 2002, 169 = NJW-RR 2002, 1088; OLG Frankfurt v. 22.12.1997 – 20 W 264/95, OLGReport Frankfurt 1998, 84 = NJW-RR 1998, 870 f.; v. 15.11.1995 – 20 W 144/94, OLGReport Frankfurt 1996, 117 = NJW-RR 1996, 1159).

c) Auf dieser Grundlage ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wenn das LG sich nach der durchgeführten Beweisaufnahme die Überzeugung gebildet hat, die Erblasserin sei bei der Abfassung des Testamentes nicht mehr in der Lage gewesen, sich von normalen Erwägungen leiten zu lassen, weil sie unter der wahnhaften Vorstellung litt, ihre Tochter – die Beteiligte zu 1) – sei Mitglied einer Sekte, diese Sekte sei hinter ihrem Geld her und sie müsse um jeden Preis verhindern, dass ihre Tochter erbe, weil ihr Vermögen dann der Sekte zufließen würde.

Zu Unrecht rügt der Antragsteller, das LG habe die Verteilung der Beweislast – zutreffend: der Feststellungslast – verkannt, weil die Beteiligte zu 1) nicht dargelegt und bewiesen habe, dass sie nicht Mitglied einer Sekte gewesen sei, die Erblasserin also tatsächlich falsche Voraussetzungen bei der Errichtung des Testamentes zugrunde gelegt habe. Vielmehr ergibt sich aus dem angefochtenen Beschluss (S. 8, 2. Abs.), dass das LG zutreffend von der die Beteiligte zu 1) treffenden Feststellungslast hinsichtlich der Testierunfähigkeit der Erbla...

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