Entscheidungsstichwort (Thema)
Vermächtnis
Leitsatz (redaktionell)
Zur Frage von Anfall und Fälligkeit von Vermächtnis und Untervermächtnis.
Normenkette
BGB §§ 2174, 2176
Verfahrensgang
LG Hildesheim (Beschluss vom 04.06.1997; Aktenzeichen 3 O 200/97) |
Tenor
Der angefochtene Beschluß wird geändert.
Das Landgericht wird angewiesen, von seinen Bedenken gegen die hinreichende Erfolgsaussicht der beabsichtigen Rechtsverfolgung abzusehen.
Gründe
Das Rechtsmittel ist begründet.
Die Antragstellerin hat gegen den Antragsgegner nach derzeitigem Sach- und Streitstand Anspruch auf Zahlung von 35.000 DM aufgrund des ihr von ihrem am 31. August 1989 verstorbenen Vater … in dessen Testament vom 26. Mai 1974 zugewendeten Vermächtnisses (§ 2174 BGB).
a) Dieses Testament ist ergänzend dahin auszulegen, daß der Erblasser, wenn er bedacht hätte, daß seine Ehefrau als seine Erbin den Grundbesitz in … dem Antragsgegner übertrüge statt daß dieser ihn erst mit deren Tode erhielte, bestimmt hätte, das Vermächtnis solle der Antragstellerin schon mit dieser Übertragung anfallen, soweit diese unentgeltlich geschehen sei. Dieses entspricht dem Sinn des Testamentes, die beiden Söhne mit den Vermächtnissen zugunsten der beiden Töchter zu belasten, sobald sie in den Genuß der ihnen zugedachten Grundstücke kommen, wie er in der Formulierung „Die zwei Söhne müssen dann” (d. h. mit Erwerb der Grundstücke beim Tode der Mutter) „meiner Tochter … u. … je 35.000,– (fünfunddreißigtausend) D-Mark an sie auszahlen” Anklang gefunden hat.
b) Der Anspruch scheitert nicht daran, daß das Vermächtnis kraft Gesetzes (§ 2176 BGB) grundsätzlich nicht vor dem Erbfall, also nicht eher anfallen konnte, als der Antragsgegner anstelle seiner Mutter den Erblasser beerbte. Der entscheidende Grund für diese gesetzliche Regelung, nämlich die Ungewißheit, ob der Nacherbfall eintritt und der Nacherbe auf den Nachlaß zugreifen kann (dazu: BayObLGZ 1966, 271/274), besteht hier nicht, weil der Antragsgegner bereits in den Genuß des ihm zugedachten Teils des Nachlasses gekommen ist, und zwar in einem solchen Maße ohne Gegenleistung, die zur Erfüllung der Vermächtnisse ausreicht.
Die Zulässigkeit, für diesen Fall von der gesetzlichen Regel eine Ausnahme zu machen, bestätigt folgende Überlegung. Hätte der Erblasser die Grundstücke zum Gegenstand von Vor- und Nachvermächtnis gemacht sowie die Zahlungspflichten als Untervermächtnisse ausgestaltet, hatte der ergänzenden Auslegung, daß das Nachvermächtnis schon bei Übertragung des Grundstücks auf den Antragsgegner, soweit diese unentgeltlich geschah, anfallen und fällig sein sollte und damit auch die Untervermächtnisse (§ 2186 BGB), rechtlich nichts im Wege gestanden. Wenn es demnach nicht in jedem Falle gesetzlich ausgeschlossen war, dem durch ergänzende Auslegung ermittelten Willen des Erblassers Geltung zu verschaffen, darf die rechtliche Anerkennung dieses Willens nicht von dem Zufall abhängen, welche rechtliche Ausgestaltung der Erblasser gewählt hat. Daß sein – des Erblassers – Wille möglichst immer zum Zuge kommen soll, hat der Gesetzgeber an anderer Stelle – für den Fall verschiedener Auslegungsmöglichkeiten eines Testamentes – ausdrücklich niedergelegt (§ 2084 BGB).
Fundstellen
Haufe-Index 974820 |
FamRZ 1998, 1335 |