Leitsatz (amtlich)
Die vor Beginn des Maßregelvollzugs vollstreckte Untersuchungs- und sog. Organisationshaft ist in der Regel nur auf die Reststrafe, nicht aber auf die Maßregel anzurechnen.
Verfahrensgang
LG Stade (Entscheidung vom 09.12.2005; Aktenzeichen 10 StVK 188/05) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Der Ablauf der Höchstfrist für die Unterbringung des Verurteilten in der Entziehungsanstalt wird auf den 7. Oktober 2009 festgesetzt.
Der Zeitpunkt, an dem frühestmöglich eine Aussetzung der weiteren Vollstreckung gemäß § 67 Abs. 5 Satz 1 i. V. m. § 57 Abs. 1 Nr. 2 und 3 StGB nach Erledigung der Hälfte in Betracht kommt, wird auf den 7. Dezember 2006 festgesetzt.
Der Zeitpunkt, an dem frühestmöglich eine Aussetzung der weiteren Vollstreckung gemäß § 67 Abs. 5 i. V. m. § 57 Abs. 1 StGB nach Erledigung von zwei Drittel in Betracht kommt, wird auf den 7. Oktober 2007 festgesetzt.
Gründe
I.
Der Verurteilte ist vom Landgericht V. am 10. März 2004 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von fünf Jahren verurteilt worden. Gleichzeitig ist die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden. Der Verurteilte hat in der Zeit vom 30. September 2003 bis zum 9. März 2004 162 Tage in der Untersuchungshaft und in der Zeit vom 10. März 2004 bis zum 7. Juni 2004 90 Tage in der sogenannten Organisationshaft verbracht. Er befindet sich seit dem 8. Juni 2004 zur Vollstreckung der Maßregel im Landeskrankenhaus B..
Die Staatsanwaltschaft hat die Höchstfrist für den Verbleib des Verurteilten in der Maßregel auf den 6. Oktober 2009 errechnet. Den 1/2-Termin hat sie auf den 7. Dezember 2006 und den 2/3-Termin auf den 7. Oktober 2007 festgelegt (Bl. 149, 150 des Vollstreckungsheftes). Gegen diese Berechnung hat sich der Verurteilte mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gewandt.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 9. Dezember 2005 hat die Strafvollstreckungskammer das Ende der Höchstfrist für die Unterbringung in der Entziehungsanstalt auf den 27. Januar 2009 festgesetzt und zugleich bestimmt, dass der 1/2-Termin am 29. März 2006 und der 2/3-Termin am 29. Januar 2007 erreicht sei.
Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer rechtzeitig eingelegten sofortigen Beschwerde. Sie ist der Auffassung, dass sowohl die Untersuchungs- als auch die Organisationshaft nur auf den Teil der Strafe anzurechnen sei, der nicht durch Anrechnung des Maßregelvollzuges gemäß § 67 Abs. 4 StGB erledigt ist, d. h. die Anrechnung solle nur auf die Reststrafe, nicht aber auf die Maßregel erfolgen. Die vor Beginn des Maßregelvollzuges erlittene Untersuchungs- und sogenannte Organisationshaft sei erst nach Berücksichtigung der Maßregelzeit auf die Strafe anzurechnen. Sie hält den von ihr errechneten Termin nach 1/2-Verbüßung, 2/3-Verbüßung und für das Ende der Höchstfrist für richtig.
II.
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft ist zulässig und auch begründet.
Die Höchstfrist für die Unterbringung nach § 67 Abs. 1 StGB i. V. m. § 67 Abs. 4 StGB läuft am 7. Oktober 2009 ab.
Bei dieser Berechnung ist der Senat von folgenden Grundsätzen ausgegangen:
Die Höchstfrist für die Unterbringung von zwei Jahren verlängert sich um zwei Drittel der konkret verhängten Strafe (vgl. OLG Frankfurt NStZ 1993, 453; OLG Hamm StV 1995, 89). Dies entspricht dem eindeutigen Gesetzeswortlaut.
Die verbüßte Untersuchungs- und Organisationshaft wird nur auf die Strafe - nämlich das zu verbüßende Restdrittel - nicht aber auf die Maßregel angerechnet. Insoweit hält der Senat an seiner bisherigen Rechtsprechung fest (Beschluss des früheren 3. Strafsenats vom 20. August 1996 in StV 1997, 477) und befindet sich damit in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BVerfG ( in NStZ 1998,77; vgl. auch OLG Stuttgart Justiz 2002, 63 ).
Übersteigt die verbüßte Untersuchungs- und/oder Organisationshaft allerdings das Restdrittel der Strafe, ist wegen des Übermaßverbotes der überschießende Betrag von der Höchstfrist für die Unterbringung abzuziehen.
Durch diese Berechnungsmethode wird der vom Bundesverfassungsgericht gerade in diesem Zusammenhang ausdrücklich geforderten verfassungsrechtlich gebotenen Beachtung des Übermaßgebotes Rechnung getragen.
Die Anrechnung der Untersuchungs- bzw. Organisationshaft nur auf das Restdrittel verhindert, dass das Maß der Anrechnung von den vom Verurteilten in der Regel nicht verschuldeten Unwägbarkeiten in der Dauer des Straf- und Vollstreckungsverfahrens abhängig gemacht wird. Diese Berechnung führt allerdings in dem - seltenen und hier nicht zutreffenden - Fall zu unbilligen Ergebnissen, in dem ein Verurteilter einen Zeitraum von länger als einem Drittel der verhängten Strafe in Untersuchungs- oder Organisationshaft verbracht hat. Erfolgt in einem solchen Falle die Anrechnung lediglich auf das Restdrittel, würden Hafttage, die nach der Entscheidung des Gesetzgebers gemäß § 67 Abs. 4 StGB grundsätzlich anzurechnen sind, praktisch wegfal...