Leitsatz (amtlich)

  • 1.

    Hat der Schiedskläger zunächst ein Verfahren vor den ordentlichen Gerichten im Inland gegen den späteren Schiedsbeklagten eingeleitet und nach Abweisung der Klage als unzulässig wegen Bestehens einer Schiedsabrede selbst ein Schiedsverfahren im Ausland unter Bezugnahme auf die Schiedsabrede eingeleitet, in dessen Verlauf der Schiedsbeklagte erfolgreich Widerklage erhoben hat, so kann der unterlegene Schiedskläger sich in dem späteren Verfahren auf Vollstreckbarerklärung des ausländischen Schiedsspruchs (hier: Finnland) wegen der Rechtskraft des inländischen Urteils sowie unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben nicht mehr auf das Fehlen einer Schiedsabrede berufen.

  • 2.

    Zu den Voraussetzungen der fehlenden Anerkennung des Schiedsspruch wegen Versagung des rechtlichen Gehörs, Art. V Abs. 1b) UNÜ, und des Verstoßes gegen den ordre public, Art. V Abs. 2b) UNÜ, wegen gerügter Befangenheit des Schiedsrichters (hier: verneint).

  • 3.

    Ein ausländischer Schiedsspruch kann im Vollstreckbarerklärungsverfahren hinsichtlich eines unbestimmten Zinsausspruchs konkretisiert werden.

 

Tenor

Der Schiedsspruch vom 30. Juni 2006 des in Helsinki/Finnland gebildeten Schiedsgerichts, bestehend aus dem von dem Vermittlungsausschuss der finnischen Zentralhandelskammer bestellten Rechtsanwalt R. als Einzelschiedsrichter, wird mit folgendem Inhalt für vollstreckbar erklärt:

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, der Antragstellerin deren offene Rechnungen, Kapitel in Höhe von 48.510,37 EUR nebst Jahreszins in Höhe von 16 % aus dem nicht beglichenen Kapitel seit der Fälligkeit der Rechnungen zu zahlen, wie folgt:

  • -

    aus 45.226,00 EUR seit dem 1. Mai 2003,

  • -

    aus 1.731,20 EUR seit dem 7. Februar 2003,

  • -

    aus 1.404,90 EUR seit dem 17. März 2003 und

  • -

    aus 148,27 EUR seit dem 22. April 2003

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, der Antragstellerin für den durch den Vertragsbruch entgangenen Verkaufsgewinn Schadensersatz in Höhe von 91.891,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von 9,5 % seit dem 17. März 2006 zu leisten.

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, die Kosten des schiedsrichterlichen Verfahrens in Höhe von 22.358,00 EUR nebst Verzugszinsen hieraus in Höhe von 10 % seit dem 1. August 2006 zu tragen.

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, an die Antragstellerin die für die Bestellung des Schiedsrichters an die finnische Zentralhandelskammer entrichtete Registergebühr in Höhe von 5.000,00 EUR nebst Verzugszinsen hieraus in Höhe von 10 % seit dem 1. August 2006 zu tragen.

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, das gesamte Schiedsrichterhonorar von 12.820,00 EUR abzüglich der geleisteten Vorschüsse zu zahlen, mithin der Antragstellerin 8.880,25 EUR nebst Verzugszinsen von 10 % auf 4.000,00 EUR seit dem 1. August 2006 und auf 4.880,25 EUR seit dem 14. Oktober 2006 zu erstatten.

Der weitergehende Antrag der Antragstellerin sowie der Antrag der Antragsgegnerin auf Nichtanerkennung des Schiedsspruchs werden zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Vollstreckbarkeitsverfahrens nach einem Streitwert bis 180.000,00 EUR.

Dieser Beschluss ist vorläufig vollstreckbar.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin, eine Aktiengesellschaft finnischen Rechts, erstrebt die Vollstreckbarerklärung eines finnischen Schiedsspruchs.

Zwischen den Parteien bestand seit Ende 2002 ein Geschäftsverhältnis, in dessen Rahmen die Antragsgegnerin in einem Geschäft in H. das sog. "Left-Foot-Marketing-Konzept" der Antragstellerin umsetzen sollte. Hierbei ging es um ein System, welches die individuelle auf den einzelnen Kunden zugeschnittene Anpassung und Fertigung von Schuhen beinhaltet. Ob zwischen den Parteien ein wirksamer Lizenzvertrag zustande gekommen ist, ist streitig. Jedenfalls gibt es ein von beiden Parteien unterschriebenes "Licence Agreement" in englischer Sprache mit dem Zusatz "Draft 30.10.2002", welches in Ziff. 13 folgende Regelung enthält (Bl. 64 - 69, 14 d. A.):

"Bei Streitigkeiten, die sich in Verbindung mit diesem Vertrag ergeben, und nicht gütlich beigelegt werden können, ist ein Schiedsverfahren in Finnland durchzuführen. Das Schiedsgericht besteht aus einem (1) Mitglied. Wenn die Vertragspartner über den Schiedsrichter keine Einigung erzielen, wird er durch den Vermittlungsausschuss der finnischen Zentralhandelskammer gemäß geltenden Bestimmungen bestellt. Gerichtsstand für das schiedsrichterliche Verfahren ist Helsinki, Finnland, und das schiedsrichterliche Verfahren ist in englischer Sprache durchzuführen, wenn nichts anderes vereinbart wird.

Für diesen Vertrag, der auf der Grundlage finnischen Rechts verfaßt wurde, gilt finnisches Recht."

Die Zusammenarbeit der Parteien wurde bereits im März 2003 durch Kündigung seitens der Antragsgegnerin beendet. Diese nahm die Antragstellerin zunächst wegen behaupteter Ansprüche aus dem Vertrag vor dem LG Hamburg in Anspruch. Dieses wies die Klage mit rechtskräftigem Urteil vom 19. September 2005 als unzulässig ab, da die Parteien eine wirksame Schiedsvereinbarung getro...

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