Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Entfernung von Suchmaschinen-Links zu Berichterstattung über strafrechtliche Verurteilung und Teilnahme des Klägers an rechten Demonstrationen
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der gemäß § 29 Abs. 2 Nr. 1 BDSG erforderlichen Abwägung ist einerseits das Interesse des Betreibers der Suchmaschine zu berücksichtigen, der Öffentlichkeit die Nutzung des Internets zu ermöglichen bzw. zu erleichtern, andererseits das Persön-lichkeitsrecht des Betroffenen, insbesondere sein Interesse, davon verschont zu bleiben, dass ihn betreffende Veröffentlichungen im Internet aufgefunden werden. Zwar kann sich der Suchmaschinenbetreiber selbst nicht auf die Presse- und Meinungsfreiheit berufen. Jedoch ist jedenfalls dann, wenn der Suchmaschinenbetreiber einen zulässigerweise veröffentlichten Beitrag der Presse verlinkt, in die Abwägung neben seiner eigenen Berufsfreiheit und der Informationsfreiheit der Internetnutzer auch die Presse- und Meinungsfreiheit des für den Inhalt des verlinkten Beitrags Verantwortlichen mit einzustellen. Denn hierdurch wird das Allgemeininteresse an der Verfügbarkeit der Information erhöht.
2. Allerdings ist der Umstand, dass der Webseitenbetreiber sich auf die Meinungs- und Pressefreiheit berufen kann, nicht in jedem Fall gleichbedeutend mit einer Zulässigkeit der Verlinkung der Veröffentlichung über die Suchmaschine der Beklagten. Denn die Tätigkeit der Suchmaschine kann die Grundrechte des Betroffenen erheblich beeinträchtigen, und zwar zusätzlich zur Tätigkeit der Herausgeber von Websites (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 38). Deshalb kann die Abwägung im Rahmen des Anspruches aus § 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BDSG gegen den Suchmaschinenbetreiber zu einem anderen Ergebnis führen als im Rahmen des Anspruchs gegen den Herausgeber der Website, da sowohl die berechtigten Interessen, die die Datenverarbeitungen rechtfertigen, unterschiedlich sein können als auch die Folgen, die die Verarbeitungen für die betroffene Person, insbesondere für ihr Privatleben, haben.
Normenkette
BDSG § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 35 Abs. 2 S. 2; BGB § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 S. 1; KunstUrhG §§ 22-23
Verfahrensgang
LG Verden (Aller) (Urteil vom 06.09.2016; Aktenzeichen 5 O 262/15) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 6.9.2016 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des LG Verden teilweise abgeändert und unter Zurückweisung der weiter gehenden Berufung wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, die bei Eingabe des Namens R. W. in die Suchmaschine der Beklagten angezeigten Links
1. zu dem Bericht: "Das B.-Land..." auf der Internetseite ... und
2. zu dem Bericht "B. in K." auf der Internetseite ... zu entfernen und durch geeignete Maßnahmen zu verhindern, dass der Link nach der Entfernung erneut erscheint.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.
Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Nr. 1 ZPO abgesehen.
II. Die zulässige Berufung des Klägers hat teilweise Erfolg.
Die Klage ist nach der klarstellenden Neufassung der Anträge in der Berufungsinstanz zulässig (dazu im Folgenden unter 1.). In der Sache ist sie jedoch nur teilweise - nämlich hinsichtlich der Anträge zu 3 und 4 - begründet (dazu im Folgenden unter 2.).
1. Die Klage ist zulässig, insbesondere sind die Klageanträge gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt.
Soweit die Beklagte zu Recht darauf hingewiesen hat, dass die hinreichende Bestimmtheit des Klagebegehrens die Angabe der spezifischen URL (Uniform Resource Locator) - d.h. der Webadresse der konkret beanstandeten Seite - voraussetze, um der Beklagten eine eindeutige Zuordnung der angegriffenen Links zu ermöglichen, hat der Kläger diesen Bedenken auf den gemäß § 139 Abs. 1 ZPO gebotenen Hinweis des Senats mit der klarstellend geänderten Antragsfassung Rechnung getragen.
2. In der Sache ist die Klage nur teilweise begründet. Zu Recht hat das LG einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Löschung der Links zu den Artikeln "... Knast für..." (Antrag zu 1) und "... u.a. durch B." (Antrag zu 2) verneint (dazu nachfolgend unter a). Hinsichtlich der Links zu dem Artikel "Das B.-Land..." (Antrag zu 3) sowie zu dem Bildbericht "B. in K." (Antrag zu 4) ist hingegen ein Löschungsanspruch des Klägers gegeben (dazu nachfolgend unter b).
a) Dem Kläger steht ein Anspruch auf Entfernung der Links zu den Artikeln "... Knast für..." und "... u.a. durch B." weder aus § 35 Abs. 2 Satz 2 BDSG zu (dazu im Folgenden unter aa) noch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art 2 Abs. 1 GG (dazu im Folgenden unter bb).
aa) Ein Anspruch des Klägers auf Entfernung der Links zu den Artikeln "... Knast für..." sowie "... u.a. durch B." ergibt sich nicht aus § 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BDSG i.V.m. der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 12 lit. b) ...