Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen für Annahme von Gewohnheitsrecht
Normenkette
BGB §§ 910, 1004
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 17.09.2004; Aktenzeichen 8 O 367/02) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 17.9.2004 verkündete Urteil des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des LG Hannover geändert.
Die Beklagte wird verurteilt, den von dem in ihrem Eigentum stehenden Grundstück Gemarkung K., Flur 8, Flurstück 177/6 auf die Grundstücke des Klägers Gemarkung K., Flur 8, Flurstücke 177/3, 177/4 und 177/5 eingedrungenen Überwuchs zu entfernen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Von der Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil und die Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen wird gem. §§ 313a Abs. 1, 540 Abs. 2 ZPO abgesehen.
II. Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.
Der Kläger kann von der Beklagten gem. § 1004 Abs. 1 S. 1, 910 Abs. 1 S. 2 BGB die Entfernung des von dem Grundstück der Beklagten Gemarkung K., Flur 8, Flurstück 177/6 auf die Grundstücke des Klägers Gemarkung K., Flur 8, Flurstücke 177/3, 177/4 und 177/5 eingedrungenen Überwuchses beanspruchen. Nach den von den Parteien nicht angegriffenen auch den Senat überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. W., Vermessungs- und Katasterbehörde H., in dem schriftlichen Gutachten vom 24.3.2004 ragen auf einer Fläche von ca 2.663 m2 bis zu 15 cm starke Äste von dem im Eigentum der Beklagten stehenden Waldflächen bis zu 8,3 m auf die als Ackerland genutzten streitbefangenen Grundstücksflächen des Klägers. Daran liegt eine Beeinträchtigung der landwirtschaftlichen Nutzung dieser Grundstücke.
Entgegen der Ansicht des LG ist der Kläger zur Duldung dieser Beeinträchtigung nicht gem. § 1004 Abs. 2 BGB verpflichtet.
1.a) Die von dem LG aufgrund der Vernehmung von Zeugen getroffene tatsächliche Feststellung, dass im Gebiet der Beklagten die ständige Übung herrsche, dass jeder Ackerflächeninhaber gemeindlichen Überwuchs selbst zurückschneide, auch wenn Angestellte der Beklagten bei den Zeugen H. und E. in der Zeit zwischen 1984 und 1995 bzw. vor 7 oder 8 Jahren jeweils einmal einen Rückschnitt des Bewuchses vorgenommen hätten, rechtfertigt schon aus Rechtsgründen nicht die Annahme, der Beseitigungsanspruch sei aufgrund einer gewohnheitsrechtlichen Übung ausgeschlossen. Aus diesem Grund kann dahin stehen, ob aus der Vernehmung von lediglich sieben Zeugen überhaupt ein verlässlicher Rückschluss auf eine entsprechende tatsächliche Übung möglich ist, zumal die Bekundung einzelner Zeugen sich nicht einmal auf längere Zeiträume bezieht.
Das LG hat nämlich schon nicht festgestellt, dass die von Überwuchs betroffenen Grundstückseigentümer und die Beklagte die festgestellte tatsächliche Übung in dem Bewusstsein praktiziert hätten, damit in Anwendung geltenden Rechts gehandelt zu haben, was Voraussetzung für die Annahme von Gewohnheitsrecht wäre (Staudinger/Coing, BGB, 13. Bearb., Einl. Rz. 240; BGHZ 37, 219), Als nahe liegender Beweggrund der betroffenen Landwirte für die Beseitigung des Überwuchses kommt auch das praktisches Bedürfnis in Betracht, die Einschaltung der Verwaltung der Beklagten zu vermeiden, zumal auch das Gesetz ein Selbsthilferecht des betroffenen Grundstückseigentümers in § 910 Abs. 1 S. 2 BGB vorsieht. Die bloße Nichtbeachtung der im Gesetz vor der Selbsthilfe vorgesehenen fruchtlosen Fristsetzung zur Beseitigung lässt nicht die Schlussfolgerung zu, dass die betroffenen Landwirte sich zur Selbstbeseitigung des Überwuchses nicht nur für berechtigt, sondern der Beklagten ggü. für verpflichtet hielten.
Entgegen der Ansicht der Beklagten nimmt der Senat mit dieser Beurteilung keine von dem LG abweichende Würdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme vor. Das LG hat lediglich eine bestehende Übung festgestellt, ohne das für die Annahme von Gewohnheitsrecht notwendige weitere Tatbestandsmerkmal der gemeinsamen Rechtsüberzeugung auch nur in Erwägung zu ziehen, zu dem sich die Aussagen der vernommenen Zeugen nicht verhalten.
Für den Senat besteht auch keine Veranlassung wegen Zweifeln an der Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen hierzu weiter Beweis zu erheben. Insoweit fehlt es trotz des mit der Verfügung des Vorsitzenden vom 29.11.2004 erteilten Hinweises schon an ausreichendem Tatsachenvortrag, dass die Beklagte und die betroffenen Landwirte die von dem LG festgestellte Übung in dem Bewusstsein praktiziert haben, damit in Anwendung geltenden Rechts zu handeln.
b) Vor allem aber verkennt die Beklagte, dass im vorliegenden Fall keine ständige Übung in einem Bereich in Rede steht, der durch Voraussetzung geregelt werden kann, wie z.B. die Art der Einfriedung von Grundstücken. Vielmehr stützt der Kläger seine Klage auf eine bundesgesetzliche Regelung. Auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts kann sich aber grundsätzlich nur Bundesgewohnheitsrecht bilden, so dass die hier von dem LG festg...