Entscheidungsstichwort (Thema)
Irreführende Werbung einer Krankenkasse - Sonderkündigungsrecht
Verfahrensgang
LG Lüneburg (Beschluss vom 16.01.2009; Aktenzeichen 1 O 10/09) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Verfügungsklägers wird der Beschluss des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des LG Lüneburg vom 16.1.2009 abgeändert:
Der Verfügungsbeklagten wird aufgegeben, es zu unterlassen, im Wettbewerb handelnd zu behaupten,
"Wer die B. jetzt verlässt, bindet sich an die Neue für die nächsten 18 Monate. Somit entgehen Ihnen attraktive Angebote, die Ihnen die B. im nächsten Jahr bietet und Sie müssen am Ende möglicherweise draufzahlen, wenn Ihre neue Kasse mit dem ihr zugeteilten Geld nicht auskommt und deswegen einen Zusatzbeitrag erhebt".
Der Verfügungsbeklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung die Verhängung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu vollziehen an ihrem Vorstandsvorsitzenden, angedroht.
Die Verfügungsbeklagte hat die Kosten des Verfahrens beider Instanzen zu tragen.
Gründe
I. Der Verfügungskläger nimmt die Verfügungsbeklagte auf Unterlassung der vormals auf deren Homepage "www.b.de." eingestellten Internetwerbung in Anspruch.
Nach Aufruf des Links "Beiträge und Fakten" fand sich dort unter der Überschrift "Der Gesundheitsfonds kommt" u.a. folgende Passage:
"Wer die B. jetzt verlässt, bindet sich an die Neue für die nächsten 18 Monate! Somit entgehen Ihnen attraktive Angebote, die Ihnen die B. im nächsten Jahr bietet und Sie müssen am Ende möglicherweise draufzahlen, wenn Ihre neue Kasse mit dem ihr zugeteilten Geld nicht auskommt und deswegen einen Zusatzbeitrag erhebt."
Da § 175 Abs. 4 Satz 5 SGB V dem wechselnden Versicherungsnehmer ein Sonderkündigungsrecht binnen Monatsfrist einräumt, wenn die neue Kasse tatsächlich einen Zusatzbeitrag erheben sollte, erachtet der Verfügungskläger die beanstandete Werbung als irreführend i.S.d. § 5 Abs. 1 UWG. Auf das Abmahnschreiben vom 17.12.2008 räumte die Verfügungsbeklagte mit Schreiben vom 6.1.2009 das Einstellen einer fehlerhaften Information auf ihrer Internetseite ein, entfernte den Text von ihrer Homepage und sagte zu, mit diesem Text künftig nicht mehr zu werben. Die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung lehnte sie jedoch ab.
Den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat die 1. Zivilkammer des LG Lüneburg - Einzelrichter - durch den angefochtenen Beschluss vom 16.1.2008 mit der Begründung abgelehnt, dass angesichts der Reaktion der Verfügungsbeklagten und ihrer Zusage, den beanstandeten Text künftig nicht mehr zu verwenden, die erforderliche Wiederholungsgefahr nicht mehr gegeben sei. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Verfügungsklägers, mit der er weiterhin den Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung begehrt.
Der Verfügungskläger beantragt, wie erkannt.
Die Verfügungsbeklagte beantragt, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abzulehnen und die sofortige Beschwerde des Verfügungsklägers zu verwerfen.
Sie ist der Auffassung, das UWG sei auf den streitigen Sachverhalt zumindest seit Geltung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken nicht mehr anwendbar, weshalb der Kläger nicht antragsbefugt sei.
II. Die sofortige Beschwerde ist gem. § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zulässig und begründet.
Für den Rechtsstreit ist die ordentliche Gerichtsbarkeit zuständig.
a) Nach § 13 GVG ist die ordentliche Gerichtsbarkeit zuständig, soweit es sich nicht um einen Rechtsstreit handelt, der der Sozialgerichtsbarkeit zugewiesen ist. Nach § 51 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 S. 1 SGG entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit auch über privatrechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden.
aa) Für Streitigkeiten zwischen gesetzlichen Krankenkassen über die Zulässigkeit von Maßnahmen der Mitgliederwerbung ist nach § 51 Abs. 1 SGG der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet (BGH, Beschl. v. 15.1.1998 - I ZB 20/97, GRUR 1998, 744, 745 - Mitgliederwerbung). Maßgeblich hierfür ist, dass das Rechtsverhältnis der gesetzlichen Krankenkassen untereinander durch Vorschriften des SGB gesondert geregelt ist (BGH, Beschl. v. 9.11.2006 - I ZB 28/06, NJW 2007, 1819, 1820 - Gesamtzufriedenheit; BSGE 82, 78, 79 f.).
bb) Für die Frage, ob der Rechtsweg zu den Sozialgerichten auch für Streitigkeiten einer nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugten Einrichtung mit einer gesetzlichen Krankenkasse über deren Mitgliederwerbung gilt, ist auch insoweit ausschließlich entscheidend, ob eine Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung Gegenstand der Streitigkeit ist. Davon ist auszugehen, wenn durch den Gegenstand des Streits Maßnahmen betroffen sind, die unmittelbar der Erfüllung der den Krankenkassen nach dem Fünften Buch des Sozialgesetzbuchs obliegenden öffentlich-rechtlichen Aufgaben dienen. Werden die wettbewerbsrechtlichen A...