Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung des Treuhänders im Restschuldbefreiungsverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 60 InsO ist auf den nach § 292 InsO bestellten Treuhänder nicht entsprechend anzuwenden; es kommt eine Haftung nach § 280 BGB in Betracht.

2. Den Treuhänder trifft keine Pflicht, zugunsten des Schuldners eingehende Zahlungen darauf zu überprüfen, ob die pfändbaren Beträge zutreffend berechnet sind.

 

Normenkette

InsO §§ 60, 292; BGB § 280

 

Verfahrensgang

LG Lüneburg (Urteil vom 31.01.2007; Aktenzeichen 4 O 232/06)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 31.1.2007 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des LG Lüneburg wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch. Nach Einstellung des Insolvenzverfahrens gem. § 211 InsO war er zum Treuhänder

im Restschuldbefreiungsverfahren bestellt worden (Beschluss des AG Celle v. 9.8.2000, Bl. 107 d.A.). Die Klägerin ist der Ansicht, der Beklagte habe seine Pflichten als Treuhänder im Restschuldbefreiungsverfahren verletzt. Dem liegt zugrunde, dass die Arbeitgeberin der Klägerin aufgrund eines Berechnungsfehlers zu hohe Vergütungsanteile (ab Januar 2000) an das von dem Beklagten geführte Treuhandkonto abgeführt hat, die vom Beklagten anschließend an diverse Gläubiger ausgekehrt worden sind.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Urteil des LG verwiesen, durch das die Klage abgewiesen worden ist. Für die Haftung des Beklagten als Treuhänder könne § 60 InsO nicht entsprechend angewendet werden. Auch eine Haftung nach allgemeinen GrundsäWegen weiterer Einzelheiten wird auf das Urteil des LG verwiesen, durch das die Klage abgewiesen worden ist. Für die Haftung des Beklagten als Treuhänder könne § 60 InsO nicht entsprechend angewendet werden. Auch eine Haftung nach allgemeinen Grundsätzen (wegen Verletzung des gesetzlichen Treuhandverhältnisses) scheide aus, weil der Beklagte nicht verpflichtet sei zu überprüfen, ob ihm vom Arbeitgeber des Schuldners zu viel überwiesen werde. Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie die erstinstanzlichen Ansprüche weiterverfolgt.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zur Zahlung von 5.094,11 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.6.2006 zu verurteilen.

Der Beklagte beantragt, Zurückweisung der Berufung.

II. Das Rechtsmittel der Klägerin hat keinen Erfolg.

Das LG hat mit Recht Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten als Treuhänder in der Wohlverhaltensphase verneint, weil es schon an einer entsprechenden Pflichtverletzung fehlt.

1. In der Kommentar-Literatur zur Insolvenzordnung ist streitig, ob für die Haftung des Treuhänders im Restschuldbefreiungsverfahren eine entsprechende Anwendung des § 60 InsO anzunehmen oder ob - so die wohl herrschende Meinung - auf allgemeine Grundsätze, mithin die Regelungen der pVV bzw. jetzt § 280 BGB zurückzugreifen ist (vgl. zum Diskussionsstand nur FK-Grote, Insolvenzordnung, 4. Aufl., § 292 Rz. 29 ff.; Uhlenbruck/Vallender, InsO, 12. Aufl., § 292, Rz. 11; MK-Ehricke, InsO, § 292 Rz. 70, 73, jeweils m.w.N.). Soweit ersichtlich, hatte sich die Rechtsprechung bisher noch nicht mit dieser Frage zu befassen.

Der Senat folgt derjenigen Auffassung, die die Haftungsgrundlagen in erster Linie in einer positiven Forderungsverletzung des Treuhänders sieht. § 60 InsO ist auf den Treuhänder nicht (entsprechend) anzuwenden. Das folgt schon daraus, dass § 292 InsO - insbesondere Abs. 3 - eben gerade nicht auf diese Norm verweist, was gegen das Vorliegen der für eine Analogie erforderlichen unbewussten Regelungslücke sprechen dürfte (ebenso Ehricke, a.a.O., Rz. 70; Grote, a.a.O., Rz. 29). Dabei ist auch der gegenüber einem Insolvenzverwalter eingeschränkte Aufgaben- und Verantwortungsbereich des Treuhänders zu berücksichtigen. Grundlage für eine Haftung des Treuhänders ist folglich allein die ihm vom Gericht übertragene Treuhandstellung in Bezug auf den Schuldner und die Gläubiger (§ 291 Abs. 2 InsO). Dabei handelt es sich grundsätzlich um eine sog. doppelseitige Treuhand, aus der wegen der unterschiedlichen Aufgaben des Treuhänders (Verwaltung und Überwachung) hinsichtlich der ihm obliegenden Pflichten zu differenzieren ist (Grote, a.a.O., Rz. 30 ff.; ebenso Ehricke, a.a.O., Rz. 72 ff.).

Letztlich wird aber in der Praxis die Frage der zutreffenden Anspruchsgrundlage für einen Anspruch auf Ersatz des Schadens, den ein Treuhänder verursacht, nicht entscheidend sein, weil man auch unter analoger Anwendung des § 60 InsO nicht zu anderen Ergebnissen kommen dürfte.

2. Entscheidend ist vielmehr vorliegend die Frage, welche Pflichten der Tre...

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