Leitsatz (amtlich)

Wenn Räume zur Durchführung einer Hochzeitsfeier mit bis zu 120 Personen angemietet werden, die wegen der Corona-Pandemie nur mit einer beschränkten Personenzahl (50 Personen) durchgeführt werden könnte, kommt grundsätzlich ein Kündigungsrecht der Mieter nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage in Betracht, bei dessen berechtigter Ausübung dem Vermieter jedoch eine Ausgleichszahlung zu leisten ist.

 

Normenkette

BGB §§ 275, 308 Nr. 7, § 309 Nr. 5, § 326 Abs. 5

 

Verfahrensgang

LG Lüneburg (Urteil vom 10.05.2021; Aktenzeichen 10 O 313/20)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 11.01.2023; Aktenzeichen XII ZR 101/21)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 10. Mai 2021 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 10. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg geändert und die Beklagten werden bei Klageabweisung im Übrigen verurteilt, an die Klägerin 1.405,- EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Oktober 2020 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz sowie des Berufungsverfahrens haben die Klägerin zu 74 % und die Beklagten gesamtschuldnerisch zu 26 % zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vollstreckbar.

Beiden Parteien bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung seitens der anderen Partei in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 6.000,- EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zahlung für die Anmietung von Räumlichkeiten für die Durchführung einer für den 8. August 2020 geplanten und später von den Beklagten wegen der Corona-Pandemie abgesagten Hochzeitsfeier geltend.

Zur Darstellung des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil der Einzelrichterin der 10. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 10. Mai 2021 (Bl. 92 f. d. A.), insbesondere die Wiedergabe des Parteivortrags und den gestellten Anträgen Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage mit dem am 10. Mai 2021 verkündeten und in juris sowie der NJOZ (2021, 1142) veröffentlichten Urteil abgewiesen.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass der Klägerin gegen die Beklagten kein Anspruch auf Schadensersatz zu stehe. Ein solcher ergebe sich nicht aus § 5 Nr. 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin. Denn die Klausel halte der Inhaltskontrolle nach § 309 Nr. 5 lit. b BGB nicht stand. Es könne als wahr unterstellt werden, dass die Beklagten auf die vorformulierten Vertragsbedingungen der Klägerin hingewiesen worden und diese im Sinne von § 305 Abs. 2 BGB Vertragsbestandteil geworden seien. Gemessen am Maßstab des § 309 BGB, der absolute Klauselverbote enthalte, sei die Klausel aber unwirksam. Denn der Nachweis eines geringeren Schadens werde dem Veranstalter (also den Beklagten) an keiner Stelle gestattet.

Ein Schadensersatzanspruch folge auch nicht aus einem anderen Rechtsgrund. Denn die Beklagten hätten aufgrund der Gesamtumstände des Einzelfalles im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie gemäß § 326 Abs. 5 BGB von dem Vertrag zurücktreten können, ohne sich schadenersatzpflichtig zu machen. Mit Abschluss des Vertrages über die Anmietung hätten sich die Parteien zur Bereitstellung der Räume für eine Feier mit bis zu 120 Personen und zur Erbringung des Mietzinses verpflichtet. Die Beklagten seien von ihrer Leistungspflicht allerdings gemäß § 275 Abs. 1 BGB freigeworden. Bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag handele es sich um einen typengemischten Vertrag, der miet- und dienstvertragliche Elemente enthalte. Die charakteristische Hauptleistung sei das zur Verfügung-Stellen des Schlosses für eine Feier in einer Größenordnung von bis zu 120 Personen am 8. August 2020. Dabei sei die in dem Vertrag angegebene Personenzahl bei Auslegung nach den §§ 133,157 BGB anhand des objektiven Empfängerhorizonts nicht etwa schlicht als "absolute Obergrenze" zu verstehen, sondern Ausdruck des Anliegens des Brautpaares, tatsächlich Räume zur Verfügung gestellt zu bekommen, die eine Feier mit 120 Personen zulassen würden. Dementsprechend sei die Klägerin verpflichtet gewesen, den Beklagten eine Feier dieser Größenordnung zu ermöglichen. Diese Pflicht habe die Klägerin auch konkret für den 8. August 2020 übernommen. Es handele sich insofern um ein absolutes Fixgeschäft. Denn wie bei Hochzeitsfeiern durchaus typisch sei es den Beklagten darauf angekommen, ihre Hochzeit an ebendiesem und keinem anderen Datum zu feiern. Dies hätten sie im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung auch für das Gericht noch einmal verdeutlicht und nachvollziehbar dargelegt. Der Klägerin sei es rechtlich unmöglich gewesen, am 8. August 2020 eine Feier für bis zu 120 Personen umzusetzen. Denn aufgrund von § 1 Abs. 5 Nr. 1 d...

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