Leitsatz (amtlich)

Zur Pfändbarkeit einer Milchreferenzmenge.

 

Normenkette

ZPO §§ 857, 36 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Lüneburg (Urteil vom 28.07.2004; Aktenzeichen 4 O 408/03)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 28.09.2006; Aktenzeichen IX ZR 98/05)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Lüneburg vom 28.7.2004 geändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 144.000 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 5.11.2003 zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu zahlen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Streitwert und Beschwer der Beklagten: 144.000 EUR.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des Landwirts E.H. (im Folgenden: Schuldner). Die Beklagte ist die Mutter des Schuldners.

Der Schuldner hatte mit Vertrag vom 27.5.1985 von seinen Eltern deren landwirtschaftlichen Hof in H. für die Zeit bis zum 30.6.1990 gepachtet. Der Pachtvertrag wurde durch Vereinbarung vom 24.8.1987 bis zum 30.6.1997, durch handschriftliche Änderung dieser Vereinbarung bis zum 30.9.1999 und nach Vortrag der Beklagten mündlich über diesen Zeitpunkt hinaus verlängert.

Anfang der neunziger Jahre bis März 2001 führte der Schuldner einen landwirtschaftlichen Betrieb in S.A. Er erwarb dort als Wiedereinrichter ein Milchkontingent von 360.000 kg, das er im Jahr 2001 mit zum Betrieb in H. brachte. Ab dem Jahr 2001 führte der Schuldner den Betrieb in H. weiter.

Unter dem 22.3.2003 vereinbarten der Schuldner und die Beklagte, dass der Pachtvertrag vom 27.6.1985 zum 31.3.2003 aufgehoben werde. In der Vereinbarung heißt es u.a.:

"Sämtliche bestehenden Kartoffel, Zuckerrüben und Milchlieferrechte (Quoten) werden, soweit sie nicht ohnehin mit Rückgabe des Hofes an den Verpächter übergehen, hiermit an diesen übertragen".

Eine gleichlautende Vereinbarung unterzeichneten die Parteien unter dem Datum 25.3.2003 mit der Maßgabe, dass als Zeitpunkt der Aufhebung des Pachtvertrags der 1.4.2003 genannt ist. Aufgrund dieser Vereinbarungen übertrug der Schuldner an die Beklagte eine ihm insgesamt zugeordnete Referenzmenge von 738.175 kg, darin enthalten das Milchkontingent von 360.000 kg. Am 1.7.2003 beantragte ein Gläubiger die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners. Das Insolvenzverfahren wurde am 4.9.2003 wegen Zahlungsunfähigkeit eröffnet.

Der Kläger hat mit der am 4.12.2003 eingereichten Klage geltend gemacht, dass die Übertragung des Milchkontingents von 360.000 kg an die Beklagte sowohl nach § 132 Abs. 1 Nr. 1 InsO als auch nach § 133 Abs. 1 InsO, § 133 Abs. 2 S. 1 InsO und nach § 134 InsO anfechtbar sei. Er hat behauptet, der Schuldner sei im Zeitpunkt der Übertragung an die Beklagte zahlungsunfähig gewesen, wovon die Beklagte Kenntnis gehabt habe. An der gem. § 8 der Zusatzabgabenverordnung vom 12.1.2000 eingerichteten Verkaufsstelle sei am 30.10.2003 ein Gleichgewichtspreis i.H.v. 0,40 EUR/kg erzielt worden.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 144.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 5.11.2003 zu zahlen, hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, an ihn die Milchreferenzmenge im Umfang von 360.000 kg, die der Schuldner als Wiedereinrichter seines ehemaligen Betriebes in W. (S.A.) erworben und sodann im Jahre 2001 mit zu seinem Betrieb nach H. gebracht hatte, um sie dann am 1.4./2.4.2003 auf die Beklagte zu übertragen, zurück zu übertragen, weiter hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, den Verkauf der Milchreferenzmenge im Umfang von 360.000 kg, die der Schuldner als Wiedereinrichter seines ehemaligen Betriebes in W. (S.A.) erworben und sodann im Jahre 2001 mit zu seinem Betrieb nach H. gebracht hat, um sie dann am 1.4./2.4.2003 auf die Beklagte zu übertragen, an der Quotenbörse zu dulden und für jeden Fall der Zuwiderhandlung ihr Ordnungsmittel anzudrohen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat bestritten, dass der Schuldner zum Zeitpunkt der Übertragung des Milchkontingents zahlungsunfähig gewesen sei. Jedenfalls sei ihr, der Beklagten, eine Zahlungsunfähigkeit nicht bekannt gewesen. Eine Insolvenzanfechtung sei im Übrigen schon deshalb nicht möglich, weil die Übertragung des Milchkontingents an die Beklagte nicht durch eine Rechtshandlung sondern kraft Gesetzes erfolgt sei. Außerdem sei das Milchkontingent nicht pfändbar gewesen, weil es sich um eine öffentlich-rechtliche Befugnis handele und weil die Beklagte zur Sicherung ihres Unterhalts auf die Nutzung des Milchkontingents angewiesen sei (§ 36 Abs. 1 S. 1 InsO, § 811 Abs. 1 Nr. 4 ZPO). Schließlich liege keine Gläubigerbenachteiligung vor, weil der Schuldner die Milchquote über 360.000 kg bzw. einen entsprechenden Veräußerungserlös der Beklagten scho...

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