Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung der Mitglieder des Gläubigerausschusses, Überwachung des Insolvenzverwalters
Leitsatz (amtlich)
Zur Haftung des Gläubigerausschusses wegen unzureichender Überwachung des Insolvenzverwalters gem. §§ 69, 71 InsO; hier Geldtransfer zwischen sog. Festgeldkonto und sog. Poolkonto.
Normenkette
InsO §§ 71, 69
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 25.08.2009; Aktenzeichen 2 O 203/08) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 25.8.2009 verkündete Urteil des LG Hannover teilweise geändert und unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels wie folgt gefasst:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 5.366.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.1.2008 zu zahlen Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche des Klägers gegen die ... bank aus dem Verfahren 11 O 413/07 (LG Hannover).
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten zu 74 %, der Kläger zu 26 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beide Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des jeweils aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die jeweils vollstreckende Partei Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Streitwert: 6,366 Mio. EUR.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger ist seit dem 30.6.2005 Insolvenzverwalter über das Vermögen der P. Wasser- und Rohrtechnik GmbH. Das Insolvenzverfahren war bereits am 9.9.2002 eröffnet worden und zunächst R. M. zum Insolvenzverwalter bestellt worden. Dieser ist mittlerweile wegen Untreue in 106 Fällen (Verfügungen von Insolvenzsonderkonten zu Lasten zahlreicher Insolvenzmassen für eigene Zwecke oder für von ihm gehaltene Firmen) rechtskräftig zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Jahren verurteilt worden (K 7), darunter auch Abbuchungen zu Lasten der P. in der Größenordnung von über 6 Mio. EUR.
Im vorliegenden Verfahren nimmt der Kläger die Beklagten als Mitglieder des Gläubigerausschusses, wobei der Beklagte zu 3 seit dem 25.9.2002 als Kassenprüfer bestimmt war (Anlage K 23, Anlagenband), wegen behaupteter Pflichtverletzungen im Hinblick auf die Prüfung und Überwachung des Insolvenzverwalters M. auf Schadensersatz in Anspruch.
M. führte als Hinterlegungskonten (Beschluss der Gläubigerversammlung, K 6) bei der ... Bank AG das Konto mit der Endnummer 838 sowie bei der ... bank das Konto mit der Endnummer 4100 (Anlage K 6). Nach den Feststellungen der Wirtschaftsstrafkammer des LG Hildesheim (K 7, dort LGU S. 13 f.) erfolgten die Untreuehandlungen von M. - in dem hier interessierenden Fall der P. Wasser- und Rohrtechnik - in der Weise, dass M. Überweisungen von dem bei der ... bank eingerichteten Hinterlegungskonto mit der Endnummer 4100 auf das von ihm eingerichtete Konto bei der ... bank mit der Endnummer 1800 vornahm (hier erstmals am 15.10.2002 i.H.v. 1 Mio. EUR), von wo er die Gelder sodann hauptsächlich auf Konten der K. oder anderer Firmen und auf private Konten weiterleitete, wodurch sie der Masse verloren gingen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Aufstellung im Strafurteil des LG Hildesheim (K 7, S. 13, und die Tabelle Bl. 32 f.) Bezug genommen. Hierbei war das Konto 1800 bei der ... bank als sog. Poolkonto eingerichtet, auf das Gelder aus verschiedensten Verfahren, in denen M. zum Insolvenzverwalter bestellt worden war, geflossen sind, um nach seinen Angaben eine bessere wirtschaftliche Anlage der treuhänderisch gebundenen Gelder zu erreichen.
Der Kläger hat behauptet, die Beklagten hätten ihre Pflichten als Mitglieder des Gläubigerausschusses durch nachlässige und nicht zeitgerechte Prüfungen verletzt und dadurch den eingetretenen Schaden der Masse verursacht. Sie hätten - insb. der Beklagte zu 3 als Kassenprüfer - die treuwidrigen Verfügungen über die Gelder von dem Insolvenzsonderkonto der ... bank Nr ...4100 über das Poolkonto und letztlich auf private Konten von M. bemerken können und müssen. Es fehle an hinreichenden Kassenprüfungen und Überprüfung der erforderlichen Belege. So hätten die Beklagten sich auch nicht die angeblichen Festgeldvereinbarungen vorlegen lassen und die Zinsberechnungen auf Plausibilität überprüft. M. habe zudem durch die Abbuchungen auch gegen § 149 Abs. 2 InsO a.F. verstoßen, weil er nicht allein über die Konten habe verfügen dürfen.
Folgende Abbuchungen sind ausweislich der Buchhaltung durch M. vorgenommen worden (K 15):
15.10.2002 1.000.000 EUR
30.5.2003 100.000 EUR
26.6.2003 250.000 EUR
25.7.2003 450.000 EUR
15.8.2003 3.000.000 EUR
22.8.2003 1.000.000 EUR
22.9.2003 86.996,57 EUR
14.1.2004 740.003,43 EUR
4.6.2004 100.000 EUR
14.7.2004 150.000 EUR
13.10.2004 40.000 EUR
Abzüglich erfolgter Rückbuchungen zwischen dem 21.1.2003 und 1.9.2004 über insgesamt 551.000 EUR (Bl. 33 und K 15) ergibt sich die Klagesumme von 6.366.000 EUR.
Die Beklagten haben Pflichtverletzungen in Abrede...