Leitsatz (amtlich)
Die Vermutungsregel des § 476 BGB greift beim Gebrauchtwagenkauf wegen "der Art des Mangels" (insb. bei regelmäßigem Verschleiß) vielfach nicht ein. Sind aber die Voraussetzungen für die gesetzliche Vermutung des § 476 BGB erfüllt, reicht eine Erschütterung der Vermutung durch den Verkäufer nicht aus; er muss vielmehr nach § 292 ZPO den vollen Beweis des Gegenteils erbringen.
Verfahrensgang
LG Hildesheim (Urteil vom 13.01.2004; Aktenzeichen 3 O 57/03) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des LG Hildesheim vom 13.1.2004 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte verurteilt wird, folgende Arbeiten an dem Pkw Opel Vectra mit der Fahrzeugidentitätsnummer WOL000036V1111850 fachgerecht auszuführen:
a) Beseitigung der unzulässigen Bereifung durch Ausstattung des Fahrzeugs mit Reifen der Dimension 195/65 R 15 H;
b) Instandsetzung der unfachmännischen Verschweißung der Ummantelung des vorderen Abgasrohres (Hosenrohrs);
c) Einbau eines neuen Scheinwerfers rechts im Austausch zum vorhandenen milchigen Scheinwerfer;
d) Beseitigung des Lackschadens an der Kofferraumklappe.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschwer für den Kläger: unter 20.000 Euro.
Gründe
I. Von der Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil und die Darstellung etwaiger Änderungen und Ergänzungen wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
II. Die zulässige Berufung des Klägers hat weitgehend keinen Erfolg.
1. In Bezug auf den Hilfsantrag des Klägers ist die Beklagte gem. ihrem Anerkenntnis zur Vornahme der im Urteilstenor aufgeführten Mängelbeseitigungsarbeiten am Fahrzeug des Klägers zu verurteilen gewesen (§ 307 Abs. 1 ZPO).
2. Der Hauptantrag des Klägers ist unbegründet.
a) Der Kläger kann die Beklagte nicht aufgrund des von ihm erklärten Rücktritts gem. §§ 346 ff. BGB auf Rückabwicklung des zwischen den Parteien zustande gekommenen Kaufvertrages über den gebrauchten Pkw Opel Vectra in Anspruch nehmen. Denn die Voraussetzungen für einen Rücktritt vom Kaufvertrag nach § 437 Nr. 2 BGB sind nicht gegeben.
aa) Zwar weist das Fahrzeug Sachmängel i.S.d. § 434 BGB und nicht lediglich normale Verschleiß- und Abnutzungserscheinungen auf, welche keine Fehler der Kaufsache sind. Während es sich nach der zutreffenden Einschätzung des Sachverständigen S. bei dem defekten Auspuff, dem undichten Stoßdämpfer sowie der beschädigten Dichtung der Beifahrertür um Verschleißerscheinungen handelt, stellen die unzulässige Bereifung, die unfachgemäße Verschweißung am vorderen Abgasrohr sowie der milchige rechte Scheinwerfer Sachmängel dar.
Aufgrund der Vermutung des 476 BGB muss davon ausgegangen werden, dass diese Mängel bereits bei Gefahrübergang (§ 446 BGB) vorgelegen haben, nachdem der Kläger bereits einen Monat nach Übergabe des Fahrzeugs diese Fehler, deren Vorhandensein der Sachverständige S. bestätigt hat, gerügt hat.
Nach § 476 BGB wird vermutet, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar. Diese Regelung findet nach allgemeiner Ansicht auch auf gebrauchte Sachen Anwendung (Palandt, BGB, 62. Aufl., zu § 476 Rz. 3), wobei allerdings die Vermutungswirkung des § 476 BGB wegen "der Art des Mangels" vielfach nicht eingreifen wird. Dies ist hier bezüglich der von dem Sachverständigen festgestellten weiteren Mängel, nämlich der hervorstehenden Stoßleisten und des abstehenden Stoßfängers der Fall. Denn diese Fehler sind, wie den von dem Sachverständigen gefertigten Fotos zu entnehmen ist, derart offenkundig, dass sie, wenn sie bereits bei der Übergabe des Fahrzeugs am 25.10.2002 vorhanden gewesen wären, dem Kläger anlässlich der Erstellung seiner Mängelliste vom 30.10.2002 zwangsläufig hätten auffallen müssen.
Dagegen bleibt es bei den vorbezeichneten drei weiteren Mängeln (Bereifung, Abgasrohr, Scheinwerfer) bei der Vermutung des § 476 BGB. Denn der Beklagten ist es nicht gelungen, diese zu widerlegen. Hierfür ist, da es um eine gesetzliche Vermutung geht, nicht ausreichend, dass der Verkäufer diese erschüttert. Er muss gem. § 292 ZPO vielmehr den vollen Beweis des Gegenteils erbringen. Den Gegenbeweis vermochte die Beklagte mit der Aussage des Zeugen S. nicht zu führen. Der Zeuge hatte, wie er einräumen musste, keine Erinnerung mehr an das Fahrzeug. Er hat zwar weiter angegeben, dass er die Mängel, wenn sie vorgelegen hätten, bei der Überprüfung des Wagens auch wahrgenommen und in seinen Bericht mit aufgenommen hätte. Dies schließt aber nicht aus, dass dem Zeugen die Mängel entgangen sind. Hinzu kommt, bezogen auf die Bereifung und die geschweißte Ummantelung des vorderen Abgasrohrs, dass die Zeugin K. ausgesagt hat, dass sie ausschließen kann, dass an dem Fahrzeug ein Reifenwechsel oder Schweißarbeiten durchgeführt worden sind. Danach verbleiben Zw...