Entscheidungsstichwort (Thema)
Wegfall der Vertragsstrafenregelung bei einvernehmlicher Aufhebung des vereinbarten Fertigstellungstermins
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 05.07.2002; Aktenzeichen 4 O 1551/00) |
Gründe
... I. Zu Recht hat das LG die Beklagte zur Herausgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft an die Klägerin verurteilt. Die Klägerin kann die Rückgabe der Bürgschaft gem. § 1 77 Nr. 8 VOB/B verlangen. Der Beklagten stehen Ansprüche, die durch die Bürgschaft abgesichert sind, nicht mehr zu.
1. Dass die herausverlangte Bürgschaft eine solche auf erstes Anfordern ist, führt nicht dazu, dass die Beklagte diese unabhängig davon, ob ihr überhaupt noch Ansprüche gegen die Klägerin zustehen, behalten darf. Das verkennt die Berufungsbegründung. Die Beklagte verlangt nicht von dem Bürgen Zahlung aus der Bürgschaft. Vielmehr ist zu klären, ob der Beklagten das Sicherungsmittel noch weiterhin zusteht. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Bank eine Bürgschaft auf erstes Anfordern erteilt hat, obwohl dies im Bauvertrag so gar nicht vereinbart war. Dann stehen aber dem Hauptschuldner, also der Klägerin, selbst bei einer Zahlungsklage alle Einwendungen gegen das Bestehen einer gesicherten Forderung zu (vgl. Ingenstau/Korbion, VOB-Kommentar, 14. Aufl., B, § 17 Rz. 105).
2. Der Beklagten stehen Vertragsstrafeansprüche gegen die Klägerin nicht zu.
2.1 Allerdings ist - entgegen der vom LG auch nicht näher begründeten Ansicht - die Vertragsstrafenregelung in §§ 3, 6 des Bauvertrages nicht wegen fehlender Obergrenze der zu zahlenden Vertragsstrafe unwirksam. Auch steht dem Vertragsstrafeanspruch - entgegen der vom LG ebenfalls nicht begründeten Ansicht - auch nicht entgegen, dass die Beklagte sich diesen nicht gem. § 11 Nr. 4 VOB/E vorbehalten hat.
a) Die im Vertrag vereinbarte Vertragsstrafenregelung stellt keine Allgemeine Geschäftsbedingung der Beklagten dar. Für eine solche Annahme spricht weder das äußere Erscheinungsbild des Vertrages noch hat die Klägerin solches vorgetragen. Die Vertragsstrafenklausel unterliegt daher nicht der Inhaltskontrolle gem. § 9 AGBG a.F. Alleiniger Prüfungsmaßstab für die Wirksamkeit ist § 138 BGB (Beversdorf in Beck'scher VOB/B-Kommentar, § 11 Nr. 1 Rz. 47; Ingenstau/Korbion, VOB-Kommentar, 14. Aufl., A, § 12 Rz. 14). Für eine Sittenwidrigkeit der genannten Vertragsvorschrift ist hier nichts ersichtlich, von der Klägerin auch nicht vorgetragen. Die Vertragsstrafe pro Tag mit 580 DM brutto beträgt 0,0474 % der Vertragssumme und liegt damit deutlich unter dem vom BGH bei Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG a.F. akzeptierten Prozentsätzen von bis zu 0,3 % der Vertragssumme pro Tag (vgl. BGH BauR 2000, 1049 [1050]). Auch bei erheblichem Verzug läuft die Klägerin hier keine Gefahr, einen Großteil ihres Werklohnanspruchs allein durch die Vertragsstrafe zu verlieren. Um die nach BGH-Rechtsprechung als Obergrenze bei Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG a.F. zulässigen 5 % der Vertragssumme (vgl. BGH, Urt. v. 23.1.2003 - VII ZR 210/01, MDR 2003, 804 = BGHReport 2003, 594 = CR 2003, 647) müsste sich die Klägerin 107 Werktage in Verzug befinden.
b) Eines Vorbehalts der Vertragsstrafe gem. § 11 Nr. 4 VOB/B bedurfte es nicht. Zu einer Abnahme ist es nicht gekommen. Die Beklagte hat vielmehr den Bauvertrag, nachdem die Klägerin mit der Begründung unzureichender Zahlung die Arbeiten eingestellt hatte, gekündigt. Die Klägerin hat dann auch nicht eine Abnahme nach § 8 Nr. 6 VOB/B verlangt. Bei einem unter Berufung auf einen wichtigen Grund vorzeitig gekündigten Vertrag kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Auftraggeber die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen als im Wesentlichen vertragsgerecht billige, sodass auch eine fingierte Abnahme nach § 12 Nr. 5 VOB/B nicht vorliegt. Eines Vorbehalts der Vertragsstrafe bedurfte es daher insgesamt nicht (vgl. BGH v. 9.4.1981 - VII ZR 192/80, MDR 1991, 838 = BauR 1981, 373; Ingenstau/Korbion, VOB-Kommentar, 14. Aufl., B, § 8 Rz. 151; Heiermann/Riedl, VOB-Kommentar, 9. Aufl., B, § 11 Rz. 37)
2.2 Die Vertragsstrafe ist aber nicht verwirkt, d.h. die Beklagte ist nicht berechtigt, die Vertragsstrafe zu fordern.
a) Die Parteien haben nämlich den ursprünglich vertraglich vereinbarten Fertigstellungstermin (Baubeginn 18.10.1998 zzgl. 10 Monate = 18.8.1999) durch Vereinbarung vom 14.10.1999 nachträglich aufgehoben. Wie der Geschäftsführer der Klägerin H. und der damalige Geschäftsführer der Beklagten U. im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat übereinstimmend mitteilten, waren sie sich darüber einig, dass die Klägerin die ab diesem Zeitpunkt noch ausstehenden Arbeiten in vollem Umfang erbringen sollte und hierfür noch Kosten i.H.v. 350.000 DM entstehen werden. Hiervon sollte die Beklagte 50 %, also 175.000 DM zahlen, sodass sich unter Berücksichtigung der bis dahin gezahlten 1.074.750 DM insgesamt eine Zahlung, wie im Vertrag vereinbart, von knapp 1,25 Mio. DM - also des vollständigen vertraglich vereinbarten Werklohns - ergeben hätte. Die weiteren 175.000 ...